Vorbemerkung

Der Autor (1899-1972) bezeichnete sein Nachschlagewerk bescheiden als "Ortsgeschichtliches Taschenbuch für den Kreis Fritzlar-Homberg" als er es, wahrscheinlich eher zufällig ein Jahr  v o r  der Kreisreform und damit vor der Zusammenlegung mit den Kreisen Melsungen und Ziegenhain zum neuen Schwalm-Eder-Kreis abschloss, um es im folgenden Jahr zu veröffentlichen. Tatsächlich entwickelte sich seine Fleißarbeit zu einem sehr populären Standardwerk zur Beantwortung vieler Fragen historisch Interessierter in der Region und bildete in den nächsten Jahrzehnten ein un-verzichtbares Hilfsmittel für die Heimat- und Regionalforschung. Angesichts der Menge an Daten und Fakten, die er zusammengetragen hatte, fragt man sich heute manchmal, wie er das neben seiner Haupttätigkeit als Pädagoge überhaupt schaffen konnte. Er errichtete damit jedenfalls sein eigenes Denkmal, aus dem hier -aus naheliegenden Gründen- der Abschnitt über die Stadt Fritzlar und ihre Geschichte präsentiert wird. Die Darstellung bildet sehr übersichtlich den damaligen Stand der Kenntnisse ab und kann auch als eine Art abschließendes Lebenswerk verstanden werden, auf der alle Forschungen in der Folgezeit aufbauen konnten.

Werner Ide

Von Adorf bis Zwesten. A. Bernecker-Verlag Melsungen (1972), S. 105-125.

Fritzlar, Stadt

Der Ort Frideslare, wie er im 8. Jahrhundert genannt wird, bestand mit Sicherheit schon vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung. Das Straßenkastell stand in enger Beziehung zu der Bergfestung Büraburg (s. Büraburg). Diesen Ort erwählte Bonifatius als Mittelpunkt seiner Missionstätigkeit in Nord­hessen, die er um 721/22 von Amöneburg aus nach hier verlegte. Als spektakulär hat sich die Fällung der Donareiche bei Geismar im Herbst 723 (nach neueren Forschungen im Frühjahr 724) erwiesen (s. Geismar). Im Jahr 724 erfolgten in Friedelar der Bau ei­ner Kirche und die Gründung eines Benediktinerklosters durch Boni­fatius (Winfried). Die Kirche wurde 725 dem hl. Peter geweiht. Als Bonifa­tius im Herbst 724 Fritzlar und damit Hessen verließ, um seine Missionstätigkeit in Thüringen aufzunehmen, übertrug er die Leitung des Fritzlarer Klosters seinem angelsächsischen Freunde Wigbert. 732 wird anstelle der Holzkirche von Bonifatius die steinerne Peters­kir­che eingeweiht. Bei der Wiederherstellung des Domes im Jahre 1916 wurden die Fundamente der bonifatianischen Peterskirche und bei weiteren Grabungen bei Bauarbeiten im Jahre 1970 u. a. die West-Apsis freigelegt und neue, wichtige Erkenntnisse gewonnen. Die von Wigbert gegründete Kloster­schule war die erste in Hessen. 734 trat Sturm, der Gründer des Klosters Fulda, als Schüler in diese Schule ein. Den Büraberg machte Bonifatius 741 zum Sitze eines Bischofs, das jedoch 765 von Lullus, dem Nachfolger des Bonifatius als Erzbischof von Mainz, aufgehoben wurde. Frideslar wurde von den Karolingern als Königspfalz aufgebaut und war als solche während der Sachsenkriege Karls des Großen den Angriffen der Sachsen ausgesetzt. 774 wurde der Ort von ihnen zerstört; seine Einwohner fanden auf der Büraburg eine sichere Zuflucht. 780 wurden die 774 geretteten Gebeine des hl. Wigbert auf Anordnung von Lullus nach Hersfeld gebracht, das dadurch ein besuchter Wallfahrtsort wurde. Als Ersatz für den Verlust des Heiligtums vermachte Lullus Karl dem Großen die Peterskirche zu Fritzlar mit ausgedehntem Besitz. Karl schenkte dann die ihm vermachten Güter der Peterskirche in Fritzlar (7. Juli 782). Der Büraberg verlor in der Folgezeit seine militärische Bedeutung. Fritzlar konnte sich durch das Vorhandensein einer Königspfalz zu einem wichtigen Etappen­und Marktort entwickeln. Kirchlich gesehen gehörte Fritzlar zum Erzbistum Mainz, Landesherrn waren das fränkische Grafengeschlecht der Konradiner. Einer von ihnen, Konrad, fiel 906 bei einem Gefecht in der Nähe der Pfalz. Aus diesem Geschlecht stammt auch König Konrad 1. (911-918). Eber­hard, Konrads Bruder, spielte bei der Wahl Heinrichs von Sachsen zum deutschen König 919 in Fritzlar eine maß­gebende Rolle. Durch dieses Ereignis tritt Fritzlar zum erstenmal in das Licht der deutschen Geschichte. Durch eine Reihe von Reichs- und Kirchenversammlungen erlebt der Ort von jetzt ab eine Blütezeit. Kaiserpfalz, erzbischöfliche Burg und Villa, Villa der hessisch-thüringischen Landgrafen, Kloster, späteres Stift und die Stiftskurien boten den Besuchern Unterkunft und Beköstigung. Kostbare Geschenke wunder­voller Kleinodien an Kloster, Stift und Kirche zeugen noch heute von der Dankbarkeit der Besucher.

      Kaiser Otto I. weilte 943, 953, 958 und 959 in Fritzlar, Otto II. im Jahre 973. Zu einem Konzil in Fritzlar im Jahre 1020, an dem der hl. Meinwerk von Paderborn teilnahm, erschien Kaiser Heinrich II. der bei dieser Gelegenheit der Peterskirche ein kostbares Vortragskreuz schenkte, das herr­lichste Kleinod des Domschatzes. Konrad II. war 1028 und wahrscheinlich auch 1032 in Fritzlar. Mitte Juli 1040 wird in Anwesenheit König Heinrichs III. und eines großen Gefolges in Fritzlar der Vergleich zwischen Erzbischof Bardo von Mainz und der Äbtissin Hildegard von Kaufungen über den sogenann­ten Hessenzehnten geschlossen. Zur Ablösung des Zehnten, der Kaufungen rechtsmäßig zustand, tritt Kaufungen Güter in + Holzheim, Udenborn, Dorla, Nassenerfurth und das Gut Gensungen ab. 1045 und 1046 urkundet Heinrich III. in Fritzlar. Mit dem Namen Heinrich IV. ist das Schicksal Fritzlars eng verbunden. Als sechzehnjähriger König weilt er 1066 in Fritzlar und wird Mitte Mai todkrank. Es wird vermutet, daß es bei dieser Gelegenheit dem Erzbischof Siegfried von Mainz gelang, Fritzlar aus königlichem Besitz in den der Erzbischöfe von Mainz zu bringen. Als jedoch Siegfried im Laufe des Kirchenkampfes zwischen Kaiser und Papst auf die Seite von Heinrich IV. Gegenkönig, seines Schwagers Rudolf von Schwaben, übertrat, besetzte Heinrich Fritzlar von neuem. 1078/79 steht Fritzlar im Mittelpunkt der Kämpfe und Verhandlungen zwischen Heinrich IV., der in diesen Jahren wiederholt hier weilt, und seinen sächsischen Gegnern. Nachdem 1079 Rudolf von Schwaben mit seinen Sachsen Westfalen heimgesucht hatte, zog er im Frühjahr von Fritzlar, nahm den Ort ein, der den Flammen preisgegeben wurde. Außer der Peterskirche fiel auch die westlich des Domes gelegene ehemalige karolingische Pfalz in Trümmer. Über den Zeitpunkt des Übergangs des königlichen Reichs­besitzes an Mainz bestehen erhebliche Meinungsunterschiede, meist handelt es sich dabei um Vermutungen. Die Zeitspanne geht von 939 (Aussterben der Konradiner) über 953 (Jestädt, S. 15) und 1066 (s. oben) oder allgemein 10.-11. Jahrhundert (Reimer 151) usw. Klibansky (49) glaubt, daß der Zeitpunkt überhaupt nicht festzustellen ist (Demandt 7, Anm. 33). Eine Anzahl gewichtiger Gründe spricht für das Jahr 1066 (De­mandt 8).

      Eine Zeitlang bleibt nun Fritzlar unbewohnt. Noch 1085 lag der Ort wüst (Bericht Erzbischofs Wezilo).In demselben Jahre erschien auch Heinrich IV. in Fritzlar, wo ihn sein Freund, Bischof Udo von Hildes­heim, seiner Treue versicherte (Jestädt 23). Zum letzten Male finden wir Heinrich IV. im Jahre 1104 in Fritzlar. In seiner Begleitung befand sich sein Sohn, der bereits 1098 zum König gewählte Heinrich V. In der Nacht zum 12. Dezember 1104 verließ der Sohn heimlich die Kaiser­pfalz und begab sich nach Bayern in das Lager der Feinde seines Vaters.

      Fritzlar wird nun mit Unterstützung des Erzbischofs von Mainz neu aufgebaut. In der ersten Periode (bis in das Ende des 11. Jahrhunderts) erfolgt die Bebauung des unmittelbar um die Kirche gelagerten Stadtbezirks (unregelmäßiger, willkürlicher Aufbau). Ende des 11. Jahrhunderts trat nun im klaren Gegensatz eine zweite Anlage, die in regelmäßigem Aufbau im 12. Jahrhundert um einen neuen Mittelpunkt, den Markt, errichtet wurde. Diese Kaufmannssiedlung und ihr Markt wurden nun auch in Fritzlar zum topographischen und wirtschaftlichen Mittelpunkt der Stadt. Alle Straßen, die in die Mauern eintreten, führen fast gradlinig zum Marktplatz hin und kreuzen sich hier. Dadurch wird der Aufbau des Ortes völlig bestimmt und die Annahme einer planmäßigen Grün­dung stark unterstützt (Demandt 10 f.). Der Wiederaufbau des Ortes muß schnell vor sich gegangen sein, denn 1115 kamen die sächsischen Großen unter dem Vorsitz des Kardinals Dietrich in Fritzlar zusammen, um selbständig ohne das Reichsoberhaupt (Heinrich V.) über Reichsangelegenheiten zu beraten, und 1118 wurde auf einer glänzend besuchten großen Synode unter Leitung des päpstlichen Legaten Kuno von Präneste u. a. der Bann über Heinrich V. ausgesprochen. Zum letztenmal finden wir 1145 einen Kaiser in Fritzlar: Kon­rad III. traf sich hier mit Erzbischof Heinrich von Mainz. Die Reihe der Kirchenversammlungen schließt mit den Jahren 1243 (Provinzialsynode unter Siegfried IIL, Erzbischof von Mainz; u. a. Verhängung des Banns über Kaiser Friedrich IL) und 1259 (unter Erzbischof Gerhard L; befaßt sich u. a. mit geheimen Ehen und dem Welt- und Ordensklerus).

      Die völlige Um- und Neugestaltung Fritzlars stand in unmittel­barer Beziehung zur Erwerbung der Lehnshoheit über Hessen durch Mainz, was wahrscheinlich vor 1120 glückte. Damit hörte Fritzlar auf, ein kleiner bedeutungsloser Besitz für das Erzstift zu sein, denn nunmehr wurde es zum Zentrum aller mainzischen Territorialbestrebungen in Niederhessen. Daraus folgt, daß die Mainzer Erzbischöfe seitdem das stärkste Interesse daran haben mußten, Fritzlar zu einem möglichst mächtigen militärischen Mittelpunkt ihrer hessischen Inter­essen auszubauen (Demandt 10). Spätestens gegen Ende des 12. Jahrhunderts hat Fritzlar den Rechtscharakter einer Stadt in vollem Umfange erreicht (Demandt 11). 1180 wird Fritzlar erstmals als civitas bezeichnet (UA Hasungen).

      In Hessen besaß Mainz nur Streubesitz, der durch andere Territorialherrschaften getrennt war. So schob sich zwischen das mainzische Amöneburg und Fritzlar die Grafschaft Ziegen­hain und zwischen Fritzlar und das mainzische Hofgeismar die Landgrafschaft Hessen. Mainz versuchte, diese Gebiete durch Landerwerb zu vereinigen. Das führte zu unheilvollen Kämpfen zwischen Mainz und der Landgrafschaft Hessen, in die auch Fritzlar hineingeris-sen wurde.

      1232 lag Erzbischof Siegfried III. von Mainz mit dem Land­grafen Conrad von Thüringen wegen des Abts von Reinhards­brunn in Fehde. Auch die Befestigung des Heiligenbergs bei Gensungen durch Mainz wurde als Drohung aufgefaßt. Fritzlar wurde von Conrad belagert. Da er eine Aushungerung für unmöglich hielt, hob er am 13. September 1232 die Belage­rung auf, wurde aber bei dem Abzuge von den Einwohnern und Verteidigern verspottet. "Sie Zundten etliche Fackeln vnd stro wische an, Leuchteten dem Landgrauven Zum abzug" (Lauzes Chronik). Erbost kehrten die Landgräflichen um und nahmen am 14. September 1232 die Stadt im Sturm. Ein großer Teil Fritzlars fiel den Flammen zum Opfer, viele Verteidiger und Einwohner wurden niedergemacht. Am mei­sten litt der Dom. Auf die Klagen des Erzbischofs Siegfried von Mainz wurde Conrad von Thüringen vom Papste mit dem Kirchenbann belegt. Er erhielt nach einer Pilgerfahrt nach Rom zwar Absolution, mußte jedoch Fritzlar und das Münster wieder aufbauen usw. Der Aufbau der Peterskirche durch Wormser Bauleute ist in den Grundzügen noch heute erhalten. Der Wiederaufbau der Stadt führte zu ihrer Erweiterung an der Ostseite. Das 13. und 14. Jahrhundert brachte Fritzlar zahl­reiche Bauten geistlicher und weltlicher Art. Es entstand ein städtisches Patriziat aus reichen Familien. Handel und Gewerbe blühten. Nach Verfassungskämpfen im 14. Und 15. Jahrhundert wurde die Vorherrschaft der Patrizier gebro­chen.

      1247 starb das thüringische Landgrafenhaus mit Heinrich Raspe im Mannesstamme aus. Erzbischof Siegfried von Mainz kam sofort nach Fritzlar. Er wollte seine hessischen Lehen sicherstellen. 1248 setzte sich die Herzogin Sophie von Brabant für ihren Sohn Heinrich (das Kind von Hessen) gewaltsam in den Besitz der Lehen. Damit begann ein fast 200jähriger wechselvoller Kampf zwischen Hessen und Mainz, der schließlich zugunsten Hessens endete. 1280 kam es nach einem Treffen bei Fritzlar zu einem Friedensschluß. Nach neuen Kämpfen erhielt Landgraf Otto 1325 von Mainz das Gericht zu Maden und die Stadt Gudensberg zugesprochen, die Wirrungen hielten jedoch an. 1350 hatte Erzbischof Hein­rich III. von Virneburg in Fritzlar Truppen zusammengezogen und hielt die Stadt gegen den Landgrafen Heinrich II. den Eisernen. Als dieser unverrichteter Dinge abziehen mußte, verfolgte ihn der Erzbischof. In einem Treffen an der Streithecke bei Dorla wurden die Mainzer jedoch geschlagen und verloren viele Tote und Gefangene; der Erzbischof konnte sich durch die Flucht retten. Es gibt immer wieder neue Händel. 1365 zerstört der Landgraf Warttürme, Galgen und Räder bei Fritzlar. 1385, 1387 tobt die Fehde. Gudensberg geht in Flammen auf. 1389 muß der Landgraf unter demüti­genden Bedingungen Frieden schließen. Als mainzischer Erz­marschall muß er auf dem Friedhofe in Fritzlar persönlich den Pferden des Erzbischofs mit einer silbernen Metze das Futter zumessen. Am Abend des 5. Juni 1400 liegt die Leiche des bei Kleinenglis erschlagenen Herzogs Friedrich von Braunschweig aufgebahrt vor dem Hauptaltar der Stiftskirche in Fritzlar (s. Kaiserkreuz). In dem nun folgenden Rachekrieg der Her­zöge von Braunschweig und des Landgrafen von Hessen wird das bei Fritzlar gelegene Holzheim zerstört, jedoch besiegt der Erzbischof seine Feinde bei Homberg. In Fritzlar schlossen am 16. Dezember 1416 Kurfürst Johann II. von Mainz und Land­graf Ludwig von Hessen einen Vertrag, wonach die hessische Geistlichkeit nach wie vor in geistlichen Dingen dem Erz­bischof von Mainz, in weltlichen wie seither dem Landgrafen gehorsam sein soll. Aber Frieden fanden die alten Gegner nicht. Es kam zu einer letzten kriegerischen Auseinander­setzung im Jahre 1427. Landgraf Ludwig der Friedfertige hatte sich mit dem Fürstabt von Fulda, Johann von Merlau, verbündet. Kurmainz sammelte seine Truppen in Fritzlar und bei Fulda. Fritzlar wurde von dem Grafen Gottfried von Leiningen besetzt gehalten. Von dort aus fielen die mainzi­schen Scharen brennend und verheerend in die landgräflichen Gebiete um Gudensberg, Felsberg und Melsungen ein. Geismar, Heimarshausen, Haddamar, Werkel, Wehren, Lohne und Bal­horn wurden in Asche gelegt. Dann zog Leiningen auf das damals mainzische Jesberg zu. Udenborn ging gerade in Flammen auf, als die landgräflichen Scharen in Sicht kamen. Bei Großenenglis wurde Leiningen geschlagen (s. Englis, Gro­ßenenglis). Auch bei Fulda schlug der Landgraf die Mainzer so entscheidend, daß sich der Erzbischof von Mainz zum Frieden bequemen mußte. Der Landgraf übernahm die Schirmherr­schaft über die mainzischen Landesteile in Hessen. Damit hatte Fritzlar seine führende Stellung in Nordhessen an Kassel abgetreten. Es wurde zur Kleinstadt. 1465 wurde Hermann, des Landgrafen Ludwig dritter Sohn, Propst des Fritzlarer Stiftes; er starb 1508 als Erzbischof von Köln. Die Mainzer Lehen in Hessen sind seit dem Ende des 15. Jahrhunderts ununterbrochen in hessischem Besitz.

      1384, 1472, 1483, 1558, 1567, 1585, 1597, 1610/11 und 1624 waren besonders schwere Pestjahre für Fritzlar. Während der Reformationszeit begann der erste Prediger der neuen Lehre, Jost Runcke, seine Tätigkeit, die Stadt Fritzlar blieb jedoch trotz erheblicher, nur vorübergehender Erfolge der Reformierten, der alten Lehre treu, jedoch gingen das Augustinerinnenkloster (1538) und das Brüderkloster (1548) ein.

      1552 besetzte der hessische Amtmann Lesch mit einer Truppenabteilung die Stadt, um sie unter Druck evangelisch zu machen. Erst 1555 verlassen die Hessen nach dem Religions­frieden von Augsburg die Stadt. Auch Runcke muß die Stadt verlassen, seine Anhänger revoltieren; am 14. Januar 1562 erscheint der Domdechant von Mainz mit 200 Mann zu Pferd und 300 Mann zu Fuß und stellt die Ruhe wieder her. Fritzlar blieb katholisch.

      Der Dreißigjährige Krieg schlägt der alten Stadt schwere Wunden. Die Drangsale und die Heimsuchungen hören nicht auf. Schon 1621 durchzieht Herzog Christian von Braunschweig plündernd die Stadt, die 1622 eine hessische Besatzung erhielt. Am 9. September 1631 wurde sie von dem hessischen Landgrafen Wilhelm eingenommen, geplündert und zu schweren Kontributionszahlungen gezwungen. Auf seinem Rückzug nach der Schlacht bei Lützen kommt Tilly 1632 nach Fritzlar, das die Hessen aufgegeben haben, jedoch nach Tillys Abzug wieder besetzten und bis 1648 darin bleiben. Während dieser Zeit kam es häufig zu Auseinandersetzungen zwischen Hessen und städtischen und geistlichen Behörden. Unter den Durchzügen der kaiserlichen Generale v. Bönninghausen und Götz hatte das Land entsetzlich zu leiden. Am 14. August 1640 besetzen die Kaiserlichen unter Erzherzog Leopold Wilhelm und dem Fürsten Piccolomini Fritzlar, das sie zu ihrem Hauptquartier machen. Am 20. August erschienen die Schweden unter General Banner zwischen Züschen und Dorla. Banner verschanzte sich in Wildungen. Es kam zu Einzel­gefechten, aber die von Banner angebotene große Schlacht fand nicht statt; die Schweden zogen darauf nach Wolfhagen und Warburg ab. Nach dem Abzug der Kaiserlichen kehrten die Hessen zurück. Das schwedisch-hessische Heer zog im Hunger­jahr 1645 an der Stadt vorüber und erpreßte das Land mit Einquartierung und Fouragieren. In den letzten beiden Kriegs­jahren lag ein vereinigtes kaiserlich-bayerisches Heer unter den Generalen v. Gronsfeld und Melander in Haddamar und Wa­bern. Melander hatte sein Hauptquartier in Kirchberg und übernachtete bei seinem Abzuge in Fritzlar. Fritzlar und die Edergegend blieben von 13 Regimentern unter dem Obersten Mandelslohe besetzt. Melander wird von Hessen und Schweden unter Wrangel und Franzosen unter Turenne aus der Stadt verdrängt, kehrt Ende 1647 jedoch wieder zurück. Im Januar 1648 ist Wrangel noch hier. Am 31. August 1648 räumen die Hessen Fritzlar. Die Stadt wird wieder kurmainzisch.

      Der Siebenjährige Krieg (1756-1763) bringt der Stadt größere Zerstörungen als der Dreißigjährige. Auf der Seite der Feinde standen Hessen, Braunschweiger, Hannoveraner und Eng­länder, auf der Seite der Freunde die Franzosen, die sich häufig in der Stadt einquartieren, aber immer wieder durch Truppen der Verbündeten abgelöst werden. Im August 1758 kommt der Herzog von Württemberg zu einer großen Fest­parade nach Fritzlar. In den Wintermonaten 1758/59 hatten die Verbündeten unter Prinz Casimir von Isenburg Fritzlar besetzt, das ihm als Hauptquartier dient; im Frühjahr 1759 kommen die Franzosen, dann wieder die Verbündeten unter General v. Urff, der von General v. Imhof abgelöst wird. Ihnen folgen wieder Franzosen und nach deren Niederlage bei Minden bis zum Jahre 1760 die Verbündeten. Im Mai 1760 stießen die Franzosen unter Broglie gegen die Verbündeten vor, die unter Herzog Ferdinand von Braunschweig bei Fritzlar lagerten. Französische Truppen unter Norman überfielen bei Tagesanbruch des 30. Juni Fritzlar, wurden aber von den Verbündeten unter Waldhausen und Graf Luckner vertrieben. Im September kehrten die Franzosen zurück, 1000 Mann wurden in Fritzlar einquartiert. Die schlimmsten Tage war die Zeit vom 12. bis 15. Februar 1761. Am 12. Februar zogen 400 Mann französische und irländische Infanterie unter Graf Narbonne-Pelet in Fritzlar ein. Am 13. Februar nachmittags rückten etwa 6000 Verbündete unter Führung des Erbprinzen von Braunschweig gegen das Schilder-, Haddamar- und Werkel­tor vor. Es kam während einer Verhandlung des Erbprinzen mit dem französischen Kommandanten zu einer lebhaften Schießerei am Haddamartor, bei der die Verbündeten, beson­ders die Hannoveraner, etwa 600 Mann an Toten verloren und sich unter Zurücklassung ihrer Kanonen zurückzogen. Am 14. Februar erhielten die Verbündeten 15-20000 Mann Ver­stärkung und 50 Kanonen aus dem englischen, bückeburgi­schen und hessischen Artilleriepark. Generalissimus Herzog Ferdinand von Braunschweig und der englische Mylord Granby trafen ein. Die Stadt wurde mit Artilleriefeuer belegt, wobei etwa 3000 Kugeln schweren Schaden anrichteten. Am Sonn­tag, dem 15. Februar, begannen die Verbündeten um 7 Uhr die Stadt mit feurigen Bomben zu beschießen. Brände brachen aus, Mauern und Türme stürzten ein. Graf Narbonne begann um 8 Uhr mit Verhandlungen, die ergebnislos verliefen. Um 11 Uhr begann die Beschießung von neuem, um 3 Uhr nach­mittags ergab sich Narbonne. Die französische Besatzung - etwa 1000 Mann mit einer kleinen Kanone - erhielt freien Abzug. Sie verließ um 7 Uhr abends die Stadt, die Verbün­deten rückten ein und erhoben von der Stadt und dem Stift 10 000 Taler Kontribution. Am 9. März 1761 verließen sie beim Nahen starker französischer Truppenverbände wieder die Stadt, nachdem sie mit dem Schleifen der Festungswerke begonnen hatten. Die Franzosen setzten 1762 die Zerstörung fort. Mauern und Türme wurden zum großen Teil niedergelegt, der Wall­graben am Haddamartor zugeschüttet. Fritzlar war keine feste Stadt mehr. 1797 rückten die französischen Revolu­tionsheere bis zur Eder vor und forderten Kontribu­tionen. 1803 wird durch den Reichsde­putationshauptschluß Fritzlar mit Ungedan­ken und Rothelmshausen an Hessen abgetreten und bildet nun ein Fürstentum Fritzlar. Das Stift wird in demselben Jahre aufgelöst. Ihm folgt 1811 das Minoritenkloster. 1829 wurden die katholischen Kirchen­gemeinden Kurhessens dem Bistum Fulda zugeteilt. In kur­hessischen Zeiten bekam Fritzlar eine Garnison (1827-1840 Husaren). Während der Verfassungskämpfe war Fritzlar 1850/51 mit „Strafbayern“ belegt. Ende Juni 1866 rückten die 8ten Trierer Husaren ein, gefolgt von preußischer Artillerie und den In­fan­terieregimentern Nr. 19 und 32. Am 17. August 1866 kam Kurhes­sen zu Preußen. Fritzlar war preußisch geworden.

      Ein schreckliches Unglück traf die Stadt am 7. Dezember 1868. Durch einen furchtbaren Orkan wurde der Dachhelm eines Turmes des Domes umgerissen und in die Tiefe geschleu­dert. Er durchschlug das Gewölbe und begrub 21 Opfer unter Schutt und Trümmern. Das Unglück ereignete sich um 7 Uhr früh während eines Adventsgot­tes­dienstes.

      Während des Kulturkampfes wurden die Ursulinen ausgewiesen (Bethune/Frankreich); sie kehrten 10 Jahre später 1887 zu­rück. 1867 wurde die erste reitende Batterie des kurfürstlichen Artillerieregiments 14 nach Fritzlar verlegt, 1869 folgte die zweite und schließlich der Stab der reitenden Abteilung und mit ihm die dritte Batterie. Das Regiment beteiligte sich 1870/71 an den Schlachten bei Weißenburg, Wörth, Sedan und an der Belagerung von Paris. Als kleine Garnison führte Fritzlar ein friedliches und behagliches Leben. Das wurde anders, als in den Jahren 1935-38 der Flugplatz angelegt wurde. Er umfaßt 300 ha und bildete mit Großhallen, Werkhallen, Kasernen, Verwaltungs- und Wohngebäuden eine Stadt für sich. Der Anlage fiel die Auewarte zum Opfer. Durch rege Bautätigkeit in den Jahren 1920-1940 sowie nach 1945 wurde der Stadtbezirk wesentlich erweitert. Mit dem Ausbau des Hospi­tals wurde 1906-1908 begonnen; 1936/38 erhielt es seine moderne Form. 1938 mußten die Ursulinen unter dem Druck der national­sozialistischen Schulreform wieder ihre Pforten schließen. Sie kehrten 1946 zurück.

      Das wirtschaftliche Leben der Stadt bekam durch eine Reihe von Neugründungen von Industrie- und Handwerksbetrieben neuen Auftrieb.

      Für die Stadt waren im letzten Weltkriege die Tage vom 17./18. Mai 1943 (Sprengung der Sperrmauer der Edertal­sperre) und die Schlacht um Fritzlar' (Ostern 1945) von Schrecken erfüllt. Die amerikanischen Panzerspitzen erreichten Karfreitag den Stadtrand. Bei den Kämpfen fanden etwa 40 deutsche und 120 amerikanische Soldaten den Tod. Am 1. Ostertag war die Stadt in den Händen der Amerikaner. Nach dem Zusammenbruch konnte sich das Wirtschafts- und kulturelle Leben allmählich wieder erholen und führte zu weiteren Industrieanlagen und zur Erweiterung des Stadt­bezirkes durch Neubauviertel und zur Errichtung von Groß­bauten (Landratsamt, Volks-, Real- und Berufsschule). Fritzlar wurde wieder Garnison.

S t a d t a n l a g e : Die planmäßig begründete Stadt legt sich um einen älteren Kern, die Pfalz und die Domimmunität. Der Stadtumriß stellt ein verschobenes Viereck dar. Die Straßen gehen strahlenförmig von dem im Stadtmittelpunkt liegenden Markt aus. Dieser hat die Form eines langgestreckten Recht­ecks und liegt unmittelbar neben dem vorstädtischen Kern Fritzlars. Auf ihm ist 1564 ein Rolandsbrunnen errichtet worden (E. Keyser, Hess. Städtebuch, S. 169). Die Rolands­figur ist eine Schöpfung des Fritzlarer Meisters Johann Ingebrandt.

N e u s t a d t:  Eine N e u s t a d t mit eigener Verwaltung (Bürgermeister, Schöffen, Ratsherrn, Siegel) wurde im Süden der Stadt am Steilhange des Ederufers um das Katharinen­kloster im 13. Jahrhundert errichtet (1280 genannt). Sie hat die Form eines Rechtecks mit einem durchge­henden Haupt­straßenzug ohne Markt. 1464 wurde die Neustadt mit der Altstadt vereinigt (E. Keyser, a. a. O.).

S t a d t m a u e r :  Die Fritzlarer Stadtmauer ist fast 2 1/2 km lang und umschließt eine Fläche von 24 ha. Sie wird 1127 erstmals erwähnt und ist zu Beginn des 12. Jahrhunderts ihrem ältesten Teile erbaut. Sie wurde zwischen 1232 und 1237 im Osten und zwischen 1320 und 1327 im Westen der Stadt erweitert und im Verlaufe des 14. Jahrhunderts durch Türme, Gräben und Schläge ständig verstärkt. Ihr Zug wird durch acht Tore durchbrochen, von denen vier besondere Tortürme trugen. Tore und Tortürme sind im 19. Jahrhundert abge­brochen worden. Die im 14. Jahrhundert erbaute, mit vier Toren und Türmen versehene Mauer um die Neustadt ist größtenteils erhalten (E. Keyser, a. a. 0.). Höhe und Stärke der Mauer waren von Anfang an verschieden. Noch heute erreicht die Stadtmauer an manchen Stellen die Höhe von 10 Metern, die Stärke beträgt durchschnittlich 3 Meter. Innerhalb der Mauer verlief ein Wehrgang (1,5 m breit); die Brüstungsmauer über dem Wehrgang war mit Schießscharten versehen und etwa 0,60 m hoch. Im Norden war ein Wallgraben vor der Mauer (heute Allee).

S t a d t t o r e :  Münstertor am Eingang der Münsterstraße, vor dem Münstertor der viereckige Münstertorturm, drei Stock­werke mit Fenstern, vierseitiges Pyramidendach mit Erkern; später kamen vor das Tor noch zwei Rundtürme mit hölzer­nem Oberbau für schweres Geschütz, sowie eine Vorburg mit zwei langen Mauern mit einem Durchfahrtstor und einer Fußgängerpforte daneben. 1826 und 1827 wegen Baufälligkeit abgebrochen.

      Das Werkeltor am Beginn der Werkelstraße. Viereckiger Turm ähnlich dem Münstertorturm sowie eine Vorburg. Teile der Nordwand mit Schlüsselscharten gegenüber dem Totenhof sind stehen geblieben. 1829 abgerissen. - Das stolzeste Tor war das Haddamartor mit seinem Turm. Von der Stadtseite her stand über dem spitzbogigen Toreingang eine Kreuzigungsgruppe mit Maria und Johannes. Torhalle mit Kreuzgewölbe. Torturm 70 Fuß hoch, endete in einem schlanken Ausgucksreiter, der von vier spitzen Ziertürmchen umgeben war. 1828 abgerissen. - Das Schildertor (in ihm wurden die Schilder der Bürgerwehr aufbewahrt) 1829 abgerissen. - Vom Fleckentor, auch Ziegen­berger Tor genannt, stehen noch die Pfeiler des 1834 abge­brochenen Torturms. - Jünger sind Steingossentor und Riegel­tor zwischen Altstadt und Neustadt. - Zur Neustadt gehörten das Bleichen- oder Neue Tor und das Winter- oder Hospitaltor. Vom Bleichentor führt eine Brücke über den Mühlengraben. Der runde Turm des Winter- oder Hospitaltores ist geblieben, das Tor 1823 beseitigt (Jestädt, 43 ff.).

M a u e r t ü r m e :  14 Mauertürme, von denen der Graue Turm der stattlichste und höchste ist (34,5 m hoch), 1273 erwähnt, ist aber älter. Früher ständig bewohnt, diente als Signalstation für die Warten. Südlich vom Grauen Tor führt ein niedriger Rundturm den Namen Das neue Gestöcke', der Gemalte Turm oder Frauenturm, Turm über dem Amberg, Nadelöhr und Petersturm. Nördlich vom Münstertor im Fried­hof Reste eines Rundturmes, dann jenseits des Werkeltors der Minoriten- oder Jordanturm, der Rosenturm am Ausgang der Rosengasse und der Grebenturm am Ende der Grebengasse. Die Neustadt besaß zwei Türme: Turm am Bad (heißt jetzt Walters Turm) und ein zweiter Turm, von dem ein Stumpf am Mühlgraben bei der Klostermühle erhalten ist. Im Mittelalter hieß Fritzlar urbs turritica, die turmreiche Stadt (außer 10 Kirchtürmen 23 Stadttürme).

W a r t e n :  Die an der städtischen Grenzmark errichteten Warten sollten bei Überfällen Menschen, Vieh und Ernte sichern. Sie besaßen nur mit Leitern erreichbare Türen nach der Stadt zu und waren von einem ummauerten, dazu mit Wall und Graben geschützten Fliehhof umgeben. Sieben Warten: Hellenwarte, Kasseler Warte, Unröder- oder Obermöllricher Warte, Zennersche- oder Auewarte (1935/38 beseitigt), Holz. heimer Warte (besteht nicht mehr, s. Holzheim), Galbergswarte (lag in den Weinbergen) und Eckerichswarte.

B u r g e n : 1. die aus dem fränkischen Straßenkastell hervor­gegangene karolingische Pfalz, wahrscheinlich am sogenannten Friedhof westlich neben dem Dom gelegen, noch 1001 erwähnt, 1079 zerstört. 2. Die alte Burg' oder Hundsburg' vor dem Haddamartor. Entstehung und Alter unbekannt, zerstört Ende des 13. Jahrhunderts. 3. Burganlage innerhalb der dafür im Westen erweiterten Mauer, begonnen um 1225, nie voll­endet (E. Keyser, a. a. 0.).

R a t h a u s am Friedhof (dem Domplatz): Der aus dem 11. Jahrhundert (um 1050 erbaut) stammende Teil des Rat­hauses wurde in romanischem Stil erbaut. Romanische Teile sind an der Westseite des massiven Untergeschosses erhalten. Um 1109 diente der Bau als Praetorium, d. h. als Vogtei­gericht. Das Gebäude ging 1231 (Haina 1, Nr. 64) in den Besitz des Klosters Berich (wüst im Edersee) über, danach in den des Klosters Haina und wurde 1274 von der Stadt erworben (Haina 1, Nr. 613). Die romanische offene Vorhalle auf der Westseite wurde 1309 abgerissen; ein gotischer Nordflügel wurde angebaut. Im Jahre 1441 erhielt das Rathaus einen spätgotischen Fachwerküberbau. Das über dem Südeingang eingelassene, 1839 an die West-, 1963 an die Südseite versetzte Relief des hl. Martin ist eine Stiftung des Schöffen bzw. Bürgermeisters Johann Katzmann aus dem Jahre 1441. Schäden aus dem Siebenjährigen Kriege und Baufälligkeit zwangen zum Abbruch des spätgotischen Aufbaus, der durch einen schmucklosen und nüchternen Umbau ersetzt wurde. 1963 wurden die spätgotisch vorkragenden Fachwerkgeschosse angelehnt an die alte Form neu aufgeführt, ebenso die Freitreppe zum Obergeschoßportal an der südlichen Giebel­seite. Das Gebäude dient auch heute noch als Rathaus. 

H o c h z e i t s h a u s : Das zwischen 1580 und 1590 auf den steinernen Fundamenten des Hainaer Hofes errichtete Hoch­zeitshaus gehört zu den bedeutendsten Fachwerkbauten Hes­sens. Es wurde von der Bürgerschaft erbaut, wobei man die Firstsäulenkonstruktion des inneren Aufbaues trotz Rähmbau­weise beibehielt. An der Westseite ornamentiertes Portal von Andreas Herber (1590). Im Siebenjährigen Kriege diente das Gebäude als Militärlazarett, war 1827 Garnison der Husaren und wurde - soweit es den großen und kleinen Saal betraf - für öffentliche Veranstaltungen verwendet. Von 1851 bis 1863 befand sich die Stadtverwaltung im Hochzeitshaus, das später wieder als Kaserne eingerichtet wurde und von 1903 bis 1949 Schulgebäude war. Danach diente es zum größten Teil als Wohnhaus. Der letzte Mieter zog 1963 aus. 1956 richtete die Fritzlarer Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte im großen Saal im Erdgeschoß ein Museum ein, das nach und nach vergrößert wurde und seit 1964 alle vier Etagen des mächtigen Fachwerkgebäudes füllt.

H a i n a e r  H o f : Das Steinhaus des Klosters Berich, das 1231 dem Kloster vom Landgrafen Konrad von Thüringen diesem übereignet wurde (Haina 1, Nr. 64), kam 1266 an den Fritzlarer Bürger Hartmud (Swineouge; Haina 1, Nr. 461) und 1274 in den Besitz der Stadt (s. Rathaus). Der Hainaer Hof in der Geismargasse diente als Renterei, in der ein Klostervogt die Geschäfte besorgte. Das Haus war Absteigequartier für die Äbte und besaß eine Kapelle. Nach der Reformation ging der Hof in den Besitz der Universität Marburg über, kam dann 1540 durch Abtretung an den Erzbischof Daniel von Mainz, der ihn 1578 für 400 Gulden an die Stadt Fritzlar verkaufte, die einen Teil abriß und anstelle des Hofes das Hochzeitshaus errichtete (s. Hochzeitshaus).

H a r d e h ä u s e r  H o f: Das westfälische Kloster Harde­hausen besaß in Fritzlar einen Hof, der 1244 von Erzbischof Siegfried von Mainz für steuerfrei erklärt wird. Wie der Hainaer Hof diente er als Renterei, da das Kloster im Kreise reich begütert war. Er lag am Haddamartor. Das alte Mauerwerk zeigt noch romanische und frühgotische Bestandteile. Der Hauptbau ist noch erhalten. Nach der Säkularisation kam der Hof 1803 in Privatbesitz.

D e u t s c h o r d e n s h o f (Fraumünsterstr. 23): Der Deutsche Orden, Ballei Marburg, besaß in und um Fritzlar großen Grundbesitz (vgl. Obermöllrich, Werkel usw.). 1290 wurde die Fritzlarer Niederlassung eine Kastnerei des Deutsch­ordens mit dem Sitze eines Komturs. Ihr Anwesen, ein Steinhaus in der Münstergasse gelegen, hatte der Orden 1290 von dem Fritzlarer Bürger Konrad von Udenborn erworben. Die steinernen Nebengebäude aus dem 14. Jahrhundert sind noch erhalten. Der 1717 errichtete Neubau dient heute als Oberförsterei. Hoftor mit Wappen (Deutschordenskreuz) 1559.

A n d e r e  O r d e n s- und K 1 o s t e r n i e d e r­ l a s s u n g e n : Kloster Merxhausen, Karmeliter in Kassel, Wilhelmiten in Witzenhausen, Kloster Kappel, Dominikaner in Treysa (E. Keyser, a. a. O.).

H o s p i t a 1: Vor 1147 wurde ein Hospital vor Fritzlar begründet. Es bediente sich der B o n i f a t i u s k a p e 1 1 e (an einem Seitenarm der Eder, Mühlgraben, gelegen), die 1239 zuerst genannt wird und 1297 zur Pfarrkirche erhoben wurde. Zur gleichen Zeit entwickelte es sich zu einem A u g u s t i - ne r- N o n n e n k 1 o s t e r (St. Katharina), das sich 1530 auflöste. Als U r s u 1 i n e n k 1 o s t e r 1710 neu errichtet, 1877 geschlossen, 1887 wieder eröffnet, 1938 geschlossen 1946 wieder errichtet. Die  H e i 1 i g g e i s t k a p e 1 1 e, ur­sprünglich bei der zweiten Hospitalsgründung 1308 als schlichter gotischer Bau zwischen 1308 und 1318 erbaut, nach der Zerstörung 1404-1405 umgebaut; Ausstattung und Aus­malung aus 1909 (Dehio 365).

M i n o r i t e n k 1 o s t e r : Die Franziskaner errichteten 1237 am Werkeltor eine Niederlassung. Das gleichzeitig begonnene Kloster wurde 1244 vollendet. Die Klosterkirche wurde nach 1300 bis Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut, 1553 verlassen, 1619-1811 von Franziskanern besetzt, 1824 der evangeli­schen Gemeinde überwiesen. Die ehemaligen Klostergebäude an der Nordseite der Kirche (jetzt H e i 1 i g - G e i s t - H o s p i t a 1) im 18. und 19. Jahrhundert umgebaut. 

U r s u l i n e n k lo s t e r  s. Hospital.

K a t h a r i n e n k l o s t e r  s. Hospital.

F r a u m ü n s t er k i r c h e  s. Fraumünster

Ehemalige Benediktinerabtei St. Peter: 724 durch den hl. Bonifatius gegründet. Der erste Abt Wigbert starb 736 oder 737. Berühmte Klo­ster­schule im 8. Jahrhundert (Bonifatius, Wigbert, Megingoz). Mit der Um­wandlung in der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts in ein C h o r h e r ­-r e n s t i f t wird aus der Klosterschule eine Stiftsschule mit einer internen theologischen und einer externen Latein­schule. Das Chorher­renstift wird 1803 aufgehoben.

      Die ehemalige S t i f t s k i r c h e, sog. D o m (jetzt kath. Pfarrkirche), eine Basilika mit Krypta, Querschiff, doppeltür­miger West­front und Vorhalle (Paradies), entstand in mehreren Bauabschnitten des 11.-14. Jahrhunderts. Voraus ging eine um 724 angeblich aus der gefällten Donareiche errichtete Holzkapelle und ein um 732 geweihter, kleiner dreischiffiger Steinbau, vermutlich mit querrechteckigem West­turm; Ost­partie unbekannt. Die Fundamentreste im östlichen Mittel­schiff wurden 1916 ergraben, die Gesamtbreite betrug 12 Meter (Dehio 258). Nach den Erkenntnissen bis zu neuen Grabungen anläßlich baulicher Maßnahmen im Sommer 1970 unterschied man einen r o m a n i s c h e n B a u (nach Zer­störung 1079 größerer Neubau Ende 11. bis 1. Drittel des 12.Jahrhunderts), einen spätromanischen Um­b a u (1171 schlechter Zustand beklagt, Um- und Neubau um 1180 - gegen 1200, nach 1232 das Paradies vorgebaut) und spätere Veränderungen (13. und14. Jahrhundert, 1735, Turmgiebel und -helme 1873, durch­grei­fende Restau­rierungen 1913-1920 und 1963-1966). Nach den Erkennt­nissen aus den Grabungen von 1970 haben vier Kirchen an der Stelle des jetzigen Doms gestanden.

      Die an der Südseite zum Talhang liegenden S t i f t s g e b ä u d e (jetzt Altersheim, Dommuseum, Bibliothek und Archiv) bilden mit der Kirche eine malerische Baugruppe (Kreuzgang 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts, am Ostflügel die vor 1365 gestiftete Philippus- und Jakobskappelle, am Westflügel die vor 1330 erbaute Allerheiligenka­pelle).

J o h a n n e s k i r c h e am Friedhof, zuerst genannt 1219, vielleicht ursprünglich Pfalzkapelle. Sie wurde 1463 den Domaltaristen überge­ben, hörte als Gotteshaus im Siebenjäh­rigen Kriege zu bestehen auf, danach als Magazin benutzt, 1848 abgebrochen (E. Keyser, a, a. O.).

Die N i k o 1 a u s k i r c h e  an der Stelle des jetzigen Post­amtes (Nikolaus- oder Clowesgasse), 1266 zuerst genannt, ging 1493 in den Besitz der Stadt über, wurde jedoch 1628 den Jesuiten überwiesen. Nach ihrer Vertreibung zerfiel die Kirche. Der Turm wurde nach 1744 abgebrochen.

St. G e o r g s k a p e l l e  vor dem Werkeltor (auf dem jetzigen Fried­hof). 1386 schloß das Stift mit St. Georg vor den Mauern eine Ver­brüderung. Nach Verfall der Kirche im 16. Jahrhundert wurde ihr Platz von den Minoriten in einen Garten umgewandelt, zu dessen Ummauerung sie die Steine der Kirche verwandten (Jestädt 34).

D o p p e 1 k a p e l l e  an der steinernen Ederbrücke: Eine dem hl. Oswald gewidmete Kapelle an der Nordostseite der Brücke. Im Jahre 1399 stiftete Hermann Steinboß einen Altar in der Steinbrückenkapelle; sodann die dem hl. Grab geweihte Kapelle unter der Ederbrücke an der Nordwestseite (Jestädt 35).

M a r i e n k a p e l l e  vor dem Schildertor, noch 1515 viel benutzt.

K a p e l l e n  in der Bischofsburg, dem Hainaer und Harde­häuser Hof.

W o h n b a u t e n : Reiches Stadtbild mit zahlreichen, meist in Fachwerk erbauten Häusern aus Mittelalter und Neuzeit, besonders am Marktplatz. Die ältesten Häuser in Stein, 14. Jahrhundert, mit hohen Staffelgiebeln, so die beiden Stiftsherrenkurien Dr. Jestädt-Platz (1828) und in der Fisch­gasse, ferner Kasseler Straße 6 und 8, Dr.-Jestädt-Platz 9. - Spätgotische Fachwerkhäuser aus der 2. Hälfte und Ende des 15. Jahrhunderts besonders gut erhalten Zwischen den Kränen 12 und Markt 4, 10, 20, 22, Gießener Straße 25, Spitalsgasse 1, 11 und 23, Fachwerk aus Renaissance und Barock Markt 1 (1570), Steinweg 1, Domplatz 16 (um 1600) und viele andere.

S p i t a 1 b r ü c k e  über den Mühlgraben am ehemaligen Heiliggeistspital 17.-18. Jahrhundert. Drei Steinbogen 1945 zerstört, 1948 erneuert.

S t a d t g e r i c h t :  Gerichtsherr war der Mainzer Erzbischof, der diese Hoheit zunächst nur bedingt ausübte. Der erste Schultheiß wird 1124 bezeugt. Er war Vorsitzender des 1207 zuerst genannten Stadtgerichts, vom Stadtherrn bestimmt. Seit dem 16. Jahrhundert über­nahm der Amtmann einen Teil seiner Funktionen. Neben dem alt­städti­schen bestand 1385 ein neustädtisches Gericht unter dem Schult­heißen der Altstadt (E. Keyser, a. a. O.). Als Gefängnis der Verbrecher diente anfangs der „Zuckmantel“, später der Steingos­senturm. Die Richtstätte befand sich am Siechenrasen (Jestädt 41).

R a t :  1217 zuerst bezeugt, bestand aus 24 auf Lebenszeit gewähl­ten Mitgliedern, von denen 12 jeweils amtierten (alter und neuer Rat). Jähr­licher Wechsel am 1. Februar. 1266 Einführung des Bürgermei­ster­amtes, mit zwei Personen besetzt, amtierten jeweils 1 Jahr. Ver­fas­sungs­kämpfe um 1287 führten zur Bestellung von 2 Gemein­deworten als Vertreter der Ge­meinde. 1342 erneute Kämpfe, die 1358 zur Aufhebung der alten Verfassung führten. Die Gemeindeworte wurden abge­schafft, dafür 28 Ratsleute aus der Gemeinde zu den 28 Rats­leuten der Geschlechter, so daß der einfache sitzende Rat von 14 auf 28 und der gesamte Rat von 28 auf 56 Personen erweitert war. 1360 alte Zustände hergestellt. Die Gemeinde­worte von der Gemeinde gewählt, seit 15. Jahrhundert von Gemeinde und Zünften, seit 17. Jahrhundert nur von Zünften. 1417-1433 langwierige Auseinan­dersetzungen zwi­schen Rat und Zünften, 1499 nach jahrelangen religiös-sozialen Kämpfen und zeitweiliger Vertreibung führender Ratsleute neue Verfas­sung, die die alte nicht grundlegend änderte. Dasselbe gilt für die Stadt­verfassungen von 1561, 1562 und 1744. Die Verfas­sung der Neustadt glich der der Altstadt in allen wichtigen Punkten. 1464 aufgelöst (E. Keyser, a. a. O.). S t a d t s i e g e 1: Erstes Siegel aus dem Ende des 12. Jahr­hunderts und bereits 1227 durch neues Siegel abgelöst. Es zeigt den hl. Martin dargestellt als Bischof, der im zweiten Siegel seinen Nimbus verliert und damit zum Mainzer Bischof als Stadtherrn umge­staltet wird. Im dritten Siegel aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts ist das Feld beiderseits des Bischofskopfes mit 2 Kreuzen ausgefüllt. Auf einem vierten Siegel ist der Bischof in eine städtische Architektur gestellt. Daneben führte die Stadt im 14. Jahrhundert 3 kleine Siegel (E. Keyser, a. a. O.).

S t a d t w a p p e n : zwei in Silber schräg links gestellte rote Räder, die durch ein rotes Andreaskreuz verbunden sind, weisen auf die Zugehörigkeit zu Mainz hin.

S t a d t f a h n e : ursprünglich rot-weiß, seit 1866 blau-weiß. M ü n z e: Die mainzische Münzstelle in Fritzlar beginnt ihre Tätigkeit wahrscheinlich zur Zeit Kaiser Konrads II. (1024-1039), vermutlich schon erzbischöfliche Prägung. Ein­wandfrei erzbischöfliche, zweiseitige Pfennige erscheinen unter Erzbischof Siegfried I. (1060-1084) und seinen Nachfolgern. Unter Albert I. (1111-1137) werden dünne Halbbrakteaten geprägt, ebenso noch unter Christian von Buchen (1165-1183), welcher die Münzen an Landgraf Ludwig IV. von Thüringen (1140-1172) verpfändete. 1184 wurde sie von Erzbischof Konrad von Wittelsbach (1183-1200) wieder eingelöst. Es beginnt nun die Ausmünzung von Brakteaten mit Bischofsbild, teilweise beschriftet. 1248 und auch später erscheinen die Grafen von Waldeck als Pfandinhaber der Fritzlarer Münze. Nachzuweisen sind aus dieser Zeit Hohl­pfennige hessischer Art mit der Inschrift FRIAL undMainzer Rad über dem Waldecker Stern. Anscheinend ist dies die letzte Prägung (1369-1442). Ein Münzgebäude auf dem Markt wird im 13. und 14. Jahrhundert mehrfach erwähnt; es wurde 1701 abgebrochen (E. Keyser, a. a. O.).

M ü h 1 e n : Die wichtigsten Mühlen des Mittelalters waren 1. die Mühle bei der Bonifatiuskapelle (Kappeler Mühle, Mühle beim Nonnen­kloster, Mönchmühle, Klostermühle), 2. Mühle bei der steinernen Brücke (Steinbrückenmühle, Fronmühle, Bäckermühle), 3. Frauenmün­stermühle (molendinum apud monasterium beate virginis), wohl die Frauenmühle oder Blaumühle, heute Elektrizitätswerk, 4. Speckmühle (s. Speck­mühle), 5. Lohmühle, 6. Walkmühle, 7. Waidmühle, 8. Königs­herrenmühle des Klosters Hardehausen an der Elbe (Demandt, S. 817 f.).

G o l d s c h m i e d e k u n s t :  Im 12. und 13. Jahrhundert blühte in Fritzlar die Goldschmiedekunst (Fritzlarer Gold­schmiedeschule).

G l o c k e n g i e ß e r e i :  Von dem Fritzlarer Meister Goswin stam­men drei Glocken des Domgeläutes: die Bürgerglocke von 1466, die Christenlehrglocke von 1456 und die „Sekunda“ aus demselben Jahre (Jestädt 36).

M ä r k t e :  Fritzlar war im Mittelalter bedeutendster nieder­hessischer Handelsplatz (Waid, Wolle, Tuche, Getreide) mit Wochenmarkt und 2 großen Jahrmärkten am 1. Mai und 10. August; 1464 kam ein dritter Markt im Oktober hinzu. Mit der seit dem 16. Jahrhundert sinkenden Bedeutung der Märkte erhöhte sich ihre Zahl (5 im Jahre 1701, 7 bis zum Jahre 1860, darunter 2 Viehmärkte).

E i n w o h n e r z a h 1:  Die mittelalterliche Einwohnerzahl (1313 Stadt als groß und volkreich bezeichnet) hat sich schätzungsweise zwischen 2000 und 3000 Seelen bewegt. Seit Ende des 15. Jahrhunderts schrumpfte die Einwohnerzahl. 1670 werden 293 Familien gezählt, 1740 2027 Einwohner, 1812: 2274; 1820: 2659; 1837: 2890; 1842 wohnten in 434 Häusern 3039 Menschen; 1849: 3249; 1861: 2891; 1871: 2925; 1880: 3021; 1900: 3226; 1905: 3448; 1933: 4240; 1939: 6468; 1946: 6654; 1956: 6985; 1963: rd. 9500; 1971: ca. 9500. Verzeichnis der Fritzlarer Grundbesitzer von 1654. Schätzungsbuch von 1708-1722.

G a r n i s o n  seit 1803: Prinz-Friedrich-Dragoner 1803-1806; Husaren von 1815-1831 (seit 1823 1. Husaren); Feldartilleriergt. Nr. 14 von 1867-1870; Feldartilleriergt. Nr. 11 von 1872-1918; nach der Um­gruppierung die 11. reitende Batterie des 5. Artillerieregimentes der Reichswehr. 

W e h r v e r f a s s u n g:  Die Wehrhoheit war im Besitz des Lan­desherrn (Erzbischofs) und wurde durch den städtischen Amtmann aus­geübt. Das Aufgebot für die Stadt und für die landesherrliche Hee­res­folge bestand aus Burgmannschaft und Bürgerschaft. Die Burg­mann­schaft bestand aus den (adeligen) Burgmannen und ihrem Ge­folge; die Bürgerschaft gliederte sich nach Straßenbezeichnungen in sechs Abteilungen, sogenannte Wachten. Wehrpflicht bestand für alle wehrfähigen männlichen Bewohner der Stadt mit Ausnahme der Geist­lichen und ihres Gesindes, der Verwaltung der Kloster- und Ordenshöfe sowie der Juden. Städtisches Schießen ist seit dem 15. Jahrhundert bezeugt (E. Keyser, a. a. O). Nach Aufkommen der stehenden Heere mußten die Bürgersöhne erst mehrere Jahre im Kur­mainzer Land­re­giment gedient haben, sonst bekamen sie keine Heiratserlaubnis (Jestädt 47). Nach 1803 trat die hessische Wehrverfassung in Kraft.

K i r c h e n v e r f a s s u n g :  Fritzlar gehörte ursprünglich zu dem von Bonifatius gegründeten Bistum Büraberg, seit dessen Vereinigung mit dem Erzbistum Mainz im 8. Jahrhundert zu dessen Diözese. Es war Sitz des Archidiakonats St. Peter und Mutterkirche für eine Anzahl benachbarter Kirchen. Zum Archidiakonat gehörten die Dekanate Bergheim (Waldeck), Braach, Ditmold, Fritzlar, Gensungen, Mardorf, Ottrau, Schützeberg und Urff. Unter dem Dekanat Fritzlar standen die Kirchen und Kapellen in Bauna, Besse, Büraberg, Elgershausen, Frau­münster, Geismar, Gleichen, Großenenglis, Gudensberg, Hadda­mar, Harle, Hoof, Lohne, Maden, Metze, Niedermöll­rich, Niedenstein, Ritte, + Ritterfenne, Vellmar (?), Vollmars­hausen, Ober- und Niedervor­schütz, Wolfershausen, Ober- und + Niederzennern sowie Züschen (Demandt, Nr. 411 1, Ver­zeichnis von 1425).

      1829 wurde Fritzlar dem Bistum Fulda zugewiesen. Kath. Kir­chen­bücher seit 1617. Reformierte Predigt wird 1522 gehalten. Eine im 16. und frühen 17. Jahrhundert bestehende evangelische Gemeinde konnte sich nicht halten (Hospitalkirche 1552-1605 als protestantische Pfarr­kir­che), entwickelte sich jedoch seit dem Übergang des Ortes an Hessen aufs neue. Die ev. Gemeinde gehörte nachreformato­risch zur Klasse Gudensberg. Ev. Kirchenbücher seit 1802, 1860: 2169 kath., 573 ev.; 1925: 2300 kath., 1555 ev.

J u d e n  sind seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar, Juden­gasse und Judenbad im 14. Jahrhundert bezeugt. 1463 erhielt die Neustadt das Recht, Juden aufzunehmen. 1467 Konflikt zwischen Stadt und Juden­schaft. Danach muß die jüdische Gemeinde in Fritzlar nahezu einge­gan­gen sein. 1676 wieder 3, 1804: 11 Juden; 1860: 129 Juden in 29 Familien; vor 1933: 128; 1939: 30 Juden. Synagoge und Judenschule vor 1827, Neubau beider 1896, abgebrochen (E. Keyser, a. a. O.).

S c h u 1 e n :  Klosterschule, Stiftsschule. Städtische Latein­schule im 16. Jahrhundert, die aber wieder einging. 1616 gründeten die Jesuiten eine Lateinschule (Gymnasium und Bonaventurae), deren Leitung 1628 die Minoriten über­nahmen, noch 1676 erwähnt. Im 18. Jahrhundert (1758, 1781) gab es nur eine Knabenschule mit einem deutschen und einem lateinischen Schulmeister. Der lateinische war Benefiziat der Stiftskirche. Das Lyzeum der Ursulinerinnen wurde 1736 als Mädchen­schule eingerichtet und besteht seit 1887 mit Unterbrechungen (1939-1946). Evangelische Volksschule seit dem frühen 19. Jahrhundert.

B e r ü h m t e  M ä n n e r : Herbort von Fritzlar, Burgkaplan des Landgrafen Hermann von Thüringen und Hessen in Gudensberg, dich­tete zwischen 1216 und 1219 auf dessen Wunsch das Lied von Troye, in dem er in 18 458 Versen den Trojanischen Krieg besingt. - Johannes Hefenträger, Refor­mator der Grafschaft Waldeck, 1497 bis 3. 6. 1542 Neu-Wil­dungen.

L i t e r a t u r : C. B. N. Falckenheiner, Geschichte hessischer Städte und Stifte, 2 Bde., 1841/42; W. Jestädt, Geschichte der Stadt Fritzlar, Festschrift zum 1200jährigen Bestehen, 1924; C. Rauch, Fritzlar, ein kunstgeschichtlicher Führer, 1925; K. E. Demandt, Quellen zur Rechts­geschichte der Stadt Fritzlar im Mittelalter, VHKH XIII, 3 1939; ders., Der Besitz des Petersstiftes im 13. Jahrhundert, ZHG, Bd. 61, 1937; ders., Das Fritzlarer Patriziat im Mittelalter, ZHG Bd. 68, 1957; ders., Die mittelalterlichen Befestigungen von Fritzlar, Kreiskalender Fritzlar­Homberg, 1952; ders., Die Erwerbung Fritzlars, ZHG Bd. 61, 1950; W. Görich, Der Stadtberg Büraberg und die Pfalzstadt Fritzlar, Hessi­sche Heimat, Jg. 7, 1954; K. Wenck, Deutsche Kaiser und Könige in Hessen, ZHG NF 30. Bd. 1906; E. Keyser, Hessisches Städtebuch, 1957; H. Falk, Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte 1, 2, 1930; E. Klibansky, Die topo­graphische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen (Marbur­ger Studien zur älteren deutschen Geschichte, 1, 1, 1925; W. Ide, Zwischen Kellerwald und Knüll, 1958; A. v. Drach, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Reg.-Bez. Kassel, Bd. 2, Kreis Fritzlar, 1909; K. Lennarz, Propstei und Pröpste des St. Petersstiftes in Fritzlar, nebst einem Anhange: Vom Scholaster und der Stiftsschule zu Fritzlar, Ful­da, 1963; F. Hoffmann u. H. v. Dehn-Rotfelser, Die Stiftskirche St. Petri zu Fritzlar, ZHG, 1864; Weber, Der ehemalige Stiftshof auf dem Friedhofe' zu Fritzlar, ZHG 1873; ders., Quatur calendaria praesen­tarum ecclesiae quondam collegiatae fritzlariensis de annis circiter 1340, 1360, 1390 et 1450, ZHG 1869, 2. Supplement; K. Heldmann, Das akademische Fritzlar im Mittelalter, ZHG Bd. 56, 1927; ders., Fritzlarer annalistische Aufzeichnungen aus dem 15. Jh., ZHG Bd. 57, 1929; R. Hootz, Zur Baugeschichte des Domes in Fritzlar, ZHG Bd. 69, 1958; F. Neumann, Herbort von Fritzlar, ZHG Bd. 63, 1952; K. Becker, Das Rathaus zu Fritzlar, Jahrbuch der Denkmalpflege im Reg.-Bez. Kassel, 1, 12 ff., 1920; s. auch Literatur Büraburg und Fraumünster.

 

Fritzlar, Kurmainzisches Amt

Die Territorialherrschaft der Erzbischöfe von Mainz reichte bis zum Anfang des 14.Jahrhunderts nicht über das Stadtgebiet von Fritzlar hinaus. Erst durch Käufe und Schenkungen kamen Ungedanken und Rothelmshausen (1309, 1324) in den Besitz des Fritzlarer Petersstiftes. Verwaltung und Gerichtsbarkeit beider Dörfer lagen vollständig in den Händen des Stifts, das für sie einen eigenen Amtmann bestellte, der neben dem erzbischöflichen Amtmann in Fritzlar selbständig war (Kli­bansky, 5.49). 1411 kaufte dann Erzbischof Johann von Mainz Dorf und Gericht von + Holzheim von den Herren v. Falkenberg, die das Dorf vor 1348 von denen v. Holzheim erworben hatten. In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts verwal­tete ein Oberamtmann von Amöneburg aus auch die Ämter Fritzlar und Naumburg. Nach der Erwerbung durch Hessen wurde aus den mainzischen Ämtern Fritzlar und Naumburg das Fürstentum Fritzlar geschaffen, das 1806-1813 zum Königreich Westfalen gehörte.

 

Fritzlar, Canton

Während der Jahre 1806-1813 gehörte der Canton Fritzlar mit Fritzlar als Hauptort zum District de Cassel im Departe­ment de la Fulde. Zum Canton gehörten Geismar, Haddamar, Werkel, Wehren, Lohre und Heimarshausen.

 

Fritzlar, Justizamt

Das 1831 geschaffene Justizamt Fritzlar bestand aus dem bis 1802 mainzischen Amte Fritzlar und aus Teilen der althessi­schen Ämter Gu­densberg (Cappel, Geismar, Haddamar und Obermöllrich), Borken (Gombeth, Groß- und Kleinenglis, Kerstenhausen und Udenborn) und Homberg (Uttershausen, Wabern, Zennern).

 

Fritzlar, Kreis

Der 1821 geschaffene Kreis Fritzlar bestand aus den Justiz­ämtern Fritzlar, Gudensberg und Jesberg. Zum Kreise gehörten 1842 3 Städte, 48 Dörfer und 10 Höfe mit 3725 Häusern und 28 516 Einwohnern.

 

Fritzlar-Homberg, Kreis

Im Zuge der sogenannten kleinen Verwaltungsreform der preußischen Regierung wurden am 1. August 1932 die Kreise Fritzlar und Homberg aufgelöst und zu einem Kreise Fritzlar­-Homberg mit Fritzlar als Kreis­stadt zusammengelegt. 

F l ä c h e  am 30. 6. 1957: 661,9 qkm.

E i n w o h n e r :  1939: 58 023; 1950: 87 944; 1957: 79 242; 1968: 84 100; Einwohner je qkm 1939: 88; 1957: 120.

      Der Bevölkerungszuwachs setzte erst während des Krieges durch den Zustrom von Evakuierten und Flüchtlingen ein (1939 bis 1950 rund 29 900 Personen oder 52 v. H.). Nach 1950 ging die Bevölkerung infolge anhaltender Abwanderun­gen - darunter allein ein Sechstel nach der Stadt Kassel - wieder zurück. Von Mitte 1950 bis Mitte 1957 betrug der Wanderungsverlust des Kreises rund 13 000 Personen. Er wurde allerdings durch den Geburtenüberschuß auf 8700 vermindert. Die Zahl der Vertriebenen ist infolge der Abwan­derungen ebenfalls beträchtlich gesunken (1950: 22 v. H.; 1957: 18 v. H.). Die konfes­sionelle Zusammensetzung der Bevölkerung, die durch den hohen Ver­triebenenanteil erheb­lich beeinflußt worden war, dürfte sich wieder etwas den Vorkriegsverhältnissen angepaßt haben. 1950 waren rund 78 v. H. (1939: 91 v. H.) der Bevölkerung evangelisch und 21 v. H. (8 v. H.) katholisch. Von den 113 Gemeinden des Kreises hatten 1956 98 Ge­meinden weniger als 1000 Einwohner, 9 Gemeinden 1000-2000, 4 Gemeinden 2000-5000; die größten Gemeinden sind Fritzlar, Homberg und Borken, das heute mehr als 5000 Einwohner zählt. (Die hessischen Landkreise und kreisfreien Städte, herausgg. vom Hess. Statist. Lan­des­amt, 1957, S. 13 ff.; 320.) 1968 betrug die Zahl der Gemeinden infolge von Zusammenschlüssen 107, darunter 59 Gemeinden unter 500 Einwohnern, 30 mit 500-1000, 13 mit 1000-3000, 2 mit 3000-5000, 3 mit über 5000. Die Einwohnerzahl betrug 1968 84 100 (80,4 % ev., 17,5 % kath., 2,1 % andersgläubig).

L i t e r a t u r : F. Schunder, Der Kreis Fritzlar-Homberg. Geschichte der Verwaltung, 1960; P. Menne, Strukturuntersuchung des Kreises Fritzlar-Homberg, 1956; Landkreis Fritzlar-Homberg, Chronik. 1967; Schöne Heimat Fritzlar-Homberg, 1962. 1970; Heimatjahrbuch für den Kreis Fritzlar-Homberg, 1961. 1961-1964. 1965-1968.

 

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