Vorbemerkung

Ab wann sich der Bäckermeister Hans Josef Heer (6. Juli 1913 - 4. Oktober 1978) für die Geschichte seiner Heimatstadt interessierte, läßt sich leider nicht mehr feststellen. Ein erster Artikel über den Domschatz aus seiner Hand erscheint schon im Jahre 1938. Sowohl er als auch der Juwelier und Uhrmachermeister Ludwig Köhler, die beide miteinander befreundet waren, sollen in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg begonnen haben Dokumente, Bücher und Sachgüter zusammenzutragen. Dabei schaffte es Bäcker Heer im Laufe der Jahre eine umfangreiche Fach-Bibliothek aufzubauen, die im Souterrain seines neuerbauten Altersitzes am Blaumühlengäßchen schließlich mindestens eine komplette Regal-wand des Arbeitszimmers einnahm. Trotz seines berufstypischen und daher eher ungewöhnlichen Tagesablaufes fand er noch ausreichend Zeit zum Studium älterer und aktueller historischer und archäologischer Literatur, was ihm ein umfangreiches Wissen und große Kompetenz  eintrug.  
      Es ist daher nicht verwunderlich, daß er sowohl im Fremdenverkehrs- und Verschönerungsverein, der Ur- und frühgeschichtlichen Arbeitsgemeinschaft wie dem folgenden Museumsverein und in der Fritzlarer Sektion des Hessi-schen Geschichtsvereins von Anfang an eine wichtige Rolle spielte. Vor allem in ersterem, den man in gewisser Weise als den Vorläufer des späteren PRO FRITZLAR ansehen könnte, waren auch seine Fähigkeiten von Belang, sein historisches Wissen sowohl an seine Kollegen als auch an die auswärtigen Besucher der Stadt vermitteln zu können. Einen öffentlich organisierten Tourismus gab es ja zunächst nicht, und vor allem wurde er für Besucher der Stadt das, was der Domküster Paul Diederich war und sein Nachfolger, der gelernte Schreiner und Domküster Alfred Matthäi für die ehem. Stiftskirche St. Peter ("Dom") werden sollte. So fungierte er zeitweilig (neben August Boley, Ludwig Köhler und Hans Heintel) als wichtigster "Fremdenführer" (heute "Gästeführer"), das geschah in der Regel -wie bei seinen Nachfolgern zunächst auch- unentgeldlich (denn er war nicht darauf angewiesen und, was manchmal anschließende Einladungen durch die Besucher anging, ein Café besaß er ja selber!); es geschah aus Gastfreundlichkeit, und Bezahlung galt damals irgendwie als "schnöde" oder unanständig.
      Möglicherweise fühlte er sich durch den Vortrag von Prof. Demandt am 13. Mai 1969 zur Königswahl Heinrichs I. im Jahre 919 dazu berufen, selber zur Schreibmaschine zu greifen um alles Wissenswerte einer weiteren Öffentlichkeit darzustellen, denn bislang sind uns seine Texte erst seit dem Frühjahr 1970 belegt. In diese Zeit fällt, wohl auch im Rahmen der Vorbereitung des 1250jährigen Ortsjubiläums und des Hessentages, die Anfrage an Prof. Demandt zum Datum der bonifatianischen Klostergründung.
      Auch das Anlernen von Nachwuchskräften sah er als seine Aufgabe: zunächst bei Egon Schaberick und dann bei J.-H. Schotten, die später sein Wissen weitergaben (und zunächst ebenfalls seltsam berührt waren, wenn man ihnen ein "Trinkgeld" in die Hand drückte). Zur 1250-Jahrfeier, verbunden mit dem "Hessentag", erschien 1974 das Standardwerk "Fritzlar im Mittelalter" aus der Hand sehr bekannter Archäologen, Numismatiker, Kunst- und Mittelalterhistoriker (spez. Mediavisten) und anderer Koryphäen. Deren Ergbnisse gingen nicht soweit über die bisherigen Kenntnisse von Hans Josef Herr hinaus, als daß er sie in den letzten Jahren seines Lebens nicht auch für ein breites Publikum hätte aufbereiten können. Er veröffentlichte -wie schon zuvor- also weiterhin seine kleinen, bescheiden illustrierten Aufsätze im "Wochenspiegel" dem offiziellen Verkündigungsorgan (erst des Landkreises, dann) der Stadt Fritzlar, wo er seine Kenntnisse den "geneigten Lesern" mitteilte, und das bis kurz vor seinem, für uns (trotz seiner vorangegangenen Krankheit) doch überraschenden Tode. Diese Verlautbarungen bilden den eigentlichen Grundstock des in den 1990er Jahren von Gerhardt Methner und Dr. Schotten neuorganisierten Gästeführerwesens. So bot es sich an, speziell diese, seine Hinterlassenschaft noch einmal zusammenfassend im Internet zu präsentieren. Ob dabei jemals eine Voll-ständigkeit zu erzielen sein wird, ist momentan noch nicht absehbar, denn leider haben weder seine Bibliothek noch alle seine Aufzeichnungen ihn -aus unterschiedlichen Interessen- sehr lange überlebt,..

1967-1974, danach:

Wochenspiegel Nr. 18/04, vom 01. Mai 1970, S. 1-2 

RATHAUS in FRITZLAR

Nachstehend wird die bisher bekannte Literatur und das Schrifttum über das Fritzlarer Rathaus, das älteste Rathaus Deutsch­lands, aus dem 11. Jahrhundert stammend, veröffentlicht.

 

1830/40 Möller-Gladbach, „Denkmäler der deutschen Baukunst“. - 3. Teil, Titelblatt das Fritzlarer Rathaus vor 1838.

1841  Falkenhainer, C. B. N., „Geschichte Fritzlars“. Seite 81/82.

1864  Hoffmann u. Dehn-Rotfelser, „Die Stiftskirche St. Petri zu Fritzlar.“ Blatt VIII. Abbildung der Rathausruine.

1870  v. Dehn-Rotfelser u. Lotz. „Die Baudenkmäler im Reg. Bezirk Cassel“ - Seite 61.

1909  v. Drach C. Allhardt, „Die Bau- und Kunstdenkmäler im Reg. Bez. Cassel. Band II Kreis Fritzlar“. S. 16/17 und 4                Abb.

1912  Holtmeyer A., „Hessische Rathäuser“. S. XVII, XXIII, XLI, 2 Abb.

1918  „Hessenland“. „Das Fritzlarer Rathaus im Rahmen der älteren Ortsgeschichte“. Seite 65-67.

1910  „Jahrbuch der Denkmalpflege im Reg.-Bez. Cassel“, Becker Karl. „Das Rathaus zu Fritzlar“. S. 125 - 35 mit 8                       Abbildungen.

1924  Jestädt Msgr. Wilh., „Festschrift zum 1200-jährigen Bestehen der Stadt Fritzlar 724 – 1924“, S. 38 - 2 Abbildungen.

1925  Jacob Bruno, „Fritzlar“. 16 Federzeichnungen v. W. Kramer, S. 6, 1 Abbildung.

1916  Rauch, Ch. , „Fritzlar ein kunstgeschichtlicher Führer“. - Seite 107 - 10 mit 7 Abbildungen.

1934  Thiele KA., „Das Rathaus“ im Fritzlarer Kreisanzeiger 30/8.

1939  Demandt Karl E., „Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar im Mittelalter“. - Siehe Register.

1949 Demandt Karl E., Vortrag „Einwohnerschaft und Wirtschaftsleben im alten Fritzlar“. - 21 Maschinenseiten                          (Rathaus)

1950  Dehio-Gall. „Handbuch nördliches Hessen“. Rathaus S. 113.

1957  Demandt K. E., „Das Fritzlarer Patriziat“. ZHG Band 68, S. 98.

1959-64 „Gesammelte Zeitungsartikel aber die einzelnen Bauabschnitte des Fritzlarer Rathausbaues“.

1962  „Schriftwechsel zwischen dem Landeskonservator von Hessen und dem Geschichtsverein Fritzlar zwecks                           Wiederaufbau des alten Rathauses in Fritzlar.“ - 7 Maschinenseiten.

1962  Backes-Feldtkeller, „Kunstwanderung in Hessen“. S. 285.

1964  Bleibaum, Friedr. , „Das Rathaus von Fritzlar und seine Geschichte“, im „Bildband Fritzlar“. 4 Seiten und 4                        Abbildungen.

1965  Kippenberger Albrecht „Das wiederhergestellte Rathaus in Fritzlar“. „Hessische Heimat“, Heft 1, S. 4-11 mit 8                    Abbildungen.

1965  „Nordhessen“. Monographien deutscher Wirtschaftsgebiete. S. 29.

1967  „Landkreis Fritzlar-Homberg“ Kultur und Wutschafts-Chronik.

1968  „Stadt Fritzlar, Tradition und Fortschritt“. Bildb., 3 Abb.         

                                                                                                                                                                                    gez. H.J. Heer

Wochenspiegel Nr. 25/04, vom 19. Juni 1970, S. 1-2 

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN  

Interessantes aus dem alten Fritzlar

Wie bereits hinreichend bekannt, hat sich bei der Belage­rung der Stadt Fritzlar im Jahre 1232 durch den Landgrafen Konrad von Thüringen einiges getan. Wie uns dazu der alte Merian wörtlich in 1646 in seiner Städtebeschreibung über Fritzlar mitteilt, „seyen etliche lose Weiber auff die Stadtmauern gelauffen, haben den Hindersten entblöset, solchen über die Zinnen herausgereket und dem Landgrafen nachgeruffen, wann er nirgends hinzufliehen wüste, woll­ten sie ihm hiermit die Herberge gewiesen haben.“

      Dieser Vorfall geistert durch viele alte Geschichtschroni­ken, aber solche Dinge haben sich auch andernorts in Deutschland abgespielt, wie der Curator Dr. Heinz-Eugen Schramm von der „Götz-von-Berlichingen-Academie“ in Tübingen, Verfasser des wissenschaftlich ominösen Buches „L.m.i.A.“, nachweist,

      So war z. B. auch 1379 die schwäbische Reichsstadt Crails­heim belagert. Als nun die Lebensmittel knapp wurden, bestieg die korpulente Frau Bürgermeisterin die Stadt­mauern, hob ihre Röcke und zeigte zwischen den Zinnen hindurch dem Feind ihre nackten Hinterbacken. Dies be­eindruckte die Belagerer so, daß ihnen die Lust verging und sie ihr Vorhaben, die Stadt auszuhungern, aufgaben und abzogen.

      Dr. Schramm weist nach, daß dieses Verhalten in alter Zeit mit Abwehrzauber zu tun hatte. Leider -hat dieser Zauber bei unserer Stadt versagt, die rauhen Mannen konn­ten einfach der herzhaften Einladung nicht widerstehen und so wurde unsere Stadt im Sturm genommen. Wie menschlich war doch früher die Kriegführung, schon ein solches Hintergesicht konnte den Frieden bringen.

      Zur Ehrenrettung unserer weiblichen Vorfahren muß gesagt werden, daß ja nicht sie es waren, die unsere Stadt ins Unglück stürzten, sondern einwandfrei die gemeinen Wei­ber der damaligen Besatzungsmacht, die „Rheingauer“, die auch noch ausgerechnet der Erzbischof von Mainz und der Bischof von Worms mit sich herumschleppten, da konn­te ja auch der Abwehrzauber nicht wirken.

      Diese Niederlage hat nun wiederum unsere Vorfahren mäch­tig gewurmt, denn sie bauten an einer undichten Stelle ihrer sonst so erstklassigen Befestigungsanlage, zwischen dem Münstertor und dem Werkeltor, einer Strecke von kaum 100 Metern noch zusätzlich einen mächtigen Wehrturm, dem sie den drastischen Namen „callars“ (Kahlarsch) gaben. Ob sie denselben noch mit gewissen Abwehr-Emblemen aus­schmückten, wie es bei mehreren Türmen heute noch in Deutschland zu sehen ist, kann leider nicht mehr festge­stellt werden, denn es blieb nur noch der Stumpf des Tur­mes erhalten.

      Der Germanist Prof. Theodor Haas, ein verstorbener Sohn unserer Stadt, befaßte sich 1925 in den Fuldaer Geschichts­blättern in seinem Aufsatz „Die Namen der Tore, Türme und Basteien der alten Stadt Fritzlar“ mit dem Turmnamen „Callars“ und weist in diesem Zusammenhang auch auf eine Flurbezeichnung „nassars“ (Naßarsch) hin. Man muß sich schon wundern, mit was für schwierigen Problemen sich un­sere Wissenschaftler auseinandersetzen müssen.

      Da nun Herr Dr. Schramm in seinem Werk diesen sonderba­ren Abwehrzauber in ganz Deutschland und darüber hinaus an Türen und Toren, Häusern und Kirchen nachweisen konn­te, richtete ich diesbezüglich mein Augenmerk auch auf unsere geschichts- und kunstreiche Stadt. Dabei mußte ich feststellen, daß auch Fritzlar von den eigenartigen Emble­men des Abwehrzaubers nicht verschont geblieben ist.

      Betrachtet man die alte Marienkapelle gegenüber dem Rat­haus, so sieht man am äußeren Eingang in der rechten obe­ren Ecke ein altes, bärtiges Männlein. Es streckt sein Hinter­teil dem Rathaus zu, als wollte es sagen, die Bürgermeister und Ratsherren können mich mal, denn um 1350 - aus die­ser Zeit stammt die Kapelle - hatten wir in Fritzlar immer zwei Bürgermeister und den dazugehörigen Stab an Beamten. Diese waren gleichzeitig Vollstrecker vom Finanzamt, Rich­ter und Gefängnishalter, so daß es einem alten Steinmetz schon mal in den Fingern jucken konnte. Trotzdem läßt sich darüber noch streiten, ob wir es hier mit einem echten Abwehrzauber zu tun haben. Anders liegt der Fall im Kreuz­gang des Domes, der ebenfalls aus der Mitte des 14. Jahr­hunderts stammt. Dort befindet sich ein Konsolen-Abschluß­figürchen - das dritte an der linken Seite vom Eingang der heiligen Ecke, welches einwandfrei als Abwehrzauber ange­sehen werden muß, besonders da diese sitzende Figur auch noch mit der linken Hand dem Beschauer die blanken Hinter­backen anbietet.

      Wir sehen also, daß auch bei uns in Fritzlar diese sonderbaren Sitten, die später unter dem Sammelbegriff „Götz-Zitat“ oder „Schwäbischer Gruß“ in der Literatur Eingang gefunden haben, zu Hause sind. Dennoch finde ich es reichlich über­trieben, wenn man in Schwaben Vereine gründet zur Erhal­tung des Schwäbischen Grußes. In Hessen sehe ich diesbezüg­lich keine Gefahr, denn dieses Unmutsventil findet sogar noch in klerikalen Kreisen seine Anwendung, wie mir ein alter Fritzlarer Pfarrer glaubwürdig bestätigte.

So hatte vor etlichen Jahren sein Amtsbruder eine hitzige Auseinandersetzung in Bauangelegenheiten mit dem zustän­digen Domkapitular. Da keine Einigung erzielt wurde, warf der Pfarrer dem Domkapitular das Götz-Zitat an den Kopf, worüber sich der Domkapitular bitter bei seinem Bischof be­schwerte. Der Bischof konnte ihn nur beruhigen mit den Worten: „Aber dazu sind Sie ja nicht verpflichtet.“

      Die wissenschaftliche Forschung des Herrn Dr. Schramm hat erwiesen, daß das Götzzitat in der ganzen,Welt gebraucht wird. Deswegen sei unserer begeisterungsfähigen Jugend noch mitgeteilt, falls sie jemals mit den Jüngern „Mao' s“ zusammentreffen sollten und diese sie mit den blumenreichen Worten China' s begrüßen die da lauten: „Küß mich im Tal der lauen Winde“ so ist dies keineswegs sehr freundlich, sondern es handelt sich abermals um den vermaledeiten Ab­wehrzauber bzw. um das deutsche „Götz-Zitat“.

 

H. J. Heer

Stadtgeschichrte:

Wochenspiegel Nr. 36/04, vom 04. September 1970, S. 2 

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN

Der >>Kumb<< am Domplatz

Nachdem bereits im Jahre 1969 von der Stadtverord­netenversammlung beschlossen wurde, den ehemaligen Brunnen am Dom wieder in seinen alten Zustand zu versetzen, und die entsprechenden Mittel im diesjähri­gen Haushalt vorgesehen sind, wurden in diesen Tagen die Arbeiten in Angriff genommen.

      Von Herrn Bäckermeister Heer, Fritzlar, wurde uns ireundlicherweise eine Broschüre überlassen, die auch über den „Kumb“ berichtet.

      Im Mittelalter gehörte der Brunnen zu der „Wasser­kunst“, durch welche die Altstadt Fritzlar hauptsäch­lich mit Flußwasser versorgt wurde. Diese „Wasser­kunst“ reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. Der Brunnen diente gewissermaßen als Wasserbehälter oder Wasserspeicher. Nach Angaben des Herrn Heer war der Brunnen noch zu dessen Kindheit ca. 20 m tief. Er wurde wegen der bestehenden Gefahr dann durch die Stadt aufgefüllt.

      1609 legte der Stadtrat die „Wasserkunst“ unter das St. Catherinenkloster (heute Ursulinenkloster) und er­langte von dem Stift die Erlaubnis, das Wasser der Steingosse hierzu verwenden zu dürfen. Später wurde sie auch in der städtischen Mönct,emühle angebracht. „Dieses Kunstwerk treibt das Wasser in eisernen Röh­ren den Mühlberg und Amberg hinauf. Hier theilt sich ihr Gang ehemals in zwei Arme, deren einer über den oberen Friedhof an der Johanniskirche hin in die Kü­che des Hochzeitshauses lief, der andere aber durch die Krämen in das obere Brauhaus führte, dieses, so wie das Wasserbecken auf dem Markte (Rolandsbrunnen) versorgte, dann weiter durch die Werkelgasse in das un­tere Brauhaus (an der Stelle, an der heute das Café Heer steht), und hier, wo er endete, am Klobesplatze (heute steht hier das Postamt. - Klobes = Klaus = Ni­kolaus, daher Nikolausstraße) das ihm auf dem weiten Wege noch gebliebene Wasser zu jedermanns freiem Gebrauch, ausgoß. Der erstgenannte Arm ist längst ab­geschnitten, der Lauf des letzteren gehet seit 1799 nicht mehr durch die Krämen, sondern über den unteren Friedhof durch die Fischgasse hin.“

      Weiterhin ist über die "Wasserkunst" folgendes zu le­sen:

1698 ist zu der hiesigen Wasserkunst ein eiserner Grummeling zu Orb in der Grafschaft Waldeck gegos­sen worden. 1703, 27. Septembris ist das Kunst Rath samt einem neuen Bäder außer dem Haus gelegt, Undt so wohl ein­gerichtet, daß mit viel leichterem Trieb noch so viel Wasser herauß in die Statt gebracht worden. 1704, seyndt die Waßer Röhren von der abladung auffm freydhoff ahn biß zum Hochzeitshauß auffgeho­ben, Von Neuem ausgebrent Undt zu geringerer Cir­cumferentz Unter den Krähmen her angelegt worden. 1725 sind die 2 Stiefeln durch Meister Constantin Ul­rich aus Hersfeld umgegossen, die Ventile reparirt und das Geleide samt den Gabeln länger gemacht.

      (Der Meister bekam 100 Taler und für jedes Pfund über das alte Gewicht 1/2 Gulden).“

                                                                                         Aufnahme: E. Meiers

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 40/04, vom 02. Oktober 1970, S. 1-2 

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN 

-WUNDERLICHES RECHT AUS DEM ALTEN FRITZLAR- 
(Auf Ehebruch stand Todesstrafe)

Als neulich bei der Suche nach alten Kirchengrundmauern am „Roten Hals“ Gebeine zum Vorschein traten, kam mir zum Bewußtsein, daß an dieser Stelle der Nordseite des Domes, die Hingerichteten sowie die Er­schlagenen oder sonst verunglückten Fremden hier ihre Begräbnisstätte fanden. Wegen der Hingerichteten gab der Volksmund dem Nordeingang des Domes den grausigen Namen „Der rote Hals“. Bei dieser Ausgra­bung kam auch ein vollständiger Schädel zum Vorschein, bei dessen Anblick mir folgende geschichtliche Tat­sache, aufgezeichnet im Fritzlarer Memorialbuch, in Erinnerung kam.

      Der Fritzlarer Bürger und Ehemann Christian Andres war 1662 so unvorsichtig, sich eine Freundin zuzule­gen. Sein Eheweib war keineswegs damit einverstanden und erhob Klage beim peinlichen Gericht der Stadt Fritzlar.

      Dadurch setzte sie eine, für unsere heutigen Begriffe, grausige Gerichtsmaschinerie in Gang. Der Schultheiß und die Bürgermeister mit den Schöffen hatten nun das erste Recht des „Angriffs“ (Arretierung). Diese nun wiederum setzten ihre städt. „Handhabenmeister“ in Trab, die dann den armen Sünder festnahmen und in die Bürgergewahrsam im Rathaus einsperrten. Gleichzeitig wurde auch die Zuhälterin gefaßt und in den Steingossenturm (auch Hexenturm) gesteckt. Christian Andres wurde wegen Ehebruch vom peinlichen Ge­richte zu Fritzlar nach Anhörung des „Fiscals“ (Mainzer Obergericht) zum Tode verurteilt.

      Als das Urteil auf dem Rathaus verlesen wurde, war das Gericht in gewohnter „positur“, Schultheiß, Bürger­meister und die zwei Blutschöffen, denen der Zöllner den Gerichtsstab vorantrug, zum Siechenrasen gegan­gen. Der arme Sünder aber wurde gesondert von den gewappneten Bürgern in Begleitung der beiden Stadt­pfarrer und viel Volk zur Richtstätte gebracht. Dieselbe befand sich neben dem Siechenhaus vor dem Wei­denbaum auf der linken Seite des Fahrweges, wo ein großer Kreis geschlagen war. (Wahrscheinlich da, wo heute der Kreuzgarten ist). In diesem Kreis war das Gericht versammelt. Nachdem der Richter ihm noch­mals sein Urteil vorgelesen hatte und den Gerichtsstab zerbrach, erfolgte durch den Scharfrichter die Ent­hauptung des armen Sünders, der Tags zuvor „ufm rathuse“ das hl. Abendmahl empfangen hatte. Damit war diese Familientragödie noch keineswegs zu Ende.

      Der Sohn des Hingerichteten fühlte sich irgendwie verpflichtet, entweder aus Familientradition oder weil es sich bei der Freundin seines Vaters um eine reizende Hexe handelte, einzugreifen.

      Er befreite dieselbe aus dem Steingossenturm und ging buchstäblich mit ihr türmen. Sie wurden aber nach einiger Zeit von den eifrigen Handhabenmeistern wieder aufgegriffen. Der Sohn wurde zu einem halben Jahr Schanzarbeit an der Fritzlarer Stadtbefestigung verurteilt, die Ehebrecherin aber an den Rathauspranger gestellt, mit Ruten bestrichen und des Landes verwiesen.

      Der Stadtschreiber verzeichnete geradezu hohnvoll in dein Fritzla­rer Memorialbuch, daß die Frau des Ehebrechers die ganzen Gerichts­kosten, die damals wie heute: recht hoch waren, zu zahlen hatte.

 

Hätten wir heute noch so harte Sitten, stände der neue Friedhof noch viel dringlicher auf dem städtischen Etat.

 

                                 Hans Josef Heer

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 12/05, vom 19. März 1971, S. 1-2 

Die Fritzlarer Gassen- und Straßennamen mit ihren historischen Gebäuden, 
ein Beitrag zur Stadtgeschichte

Die Gassen- und Straßennamen der deutschen Städte sind Denksteine der Stadtentwicklung und Stadtgeschichte. Was die Adern für den menschlichen Körper bedeuten. das sind die Gassen und Straßen für eine Stadt, In ihnen pulsiert das Leben, das einer Stadt Sinn und Zweck verleiht, ihr das Gepräge gibt. Aus ihnen kann man die Geschichte eine Stadt in der Mannigfaltigkeit ihrer Lebensäußerungen able­sen,

      Wer liebevoll den alten Gassennamen nachspürt. der lernt aus ihnen Schlüsse zu ziehen auf Sprache, Denken und Füh­len der Siedler, die vor Jahrhunderten auf diesem Grund und Boden weilten und die jetzige Kulturlandschaft mit ih­ren Wegen und Stegen, ihren Wällen und Gräben, kurzum mit ihrem reizvollen Stadtbild geschaffen haben, Deshalb haben diese Namen etwas von vergilbten Urkunden an sich, die uns aus alten Zeiten berichten.

      Es besteht jedoch ein gewaltiger Unterschied zwischen den alten und neueren Straßennamen. Diese sind durch Be­schluß der städtischen Körperschaften am grünen Tisch ent­standen. Sie gedenken oft berühmter Persönlichkeiten, die zu der Stadt in keinerlei Beziehung gestanden haben, die dieser Ehrung gar nicht bedurft hätten, weil ihr Ruhm auch ohnedies gesichert ist. Wesentlich anderer Art sind die al­ten Gassennamen einer Stadt, denn alle diese Namen ha­ben eine Geschichte. Sie standen nicht auf einem Straßenschild, und doch haben sie die Jahrhunderte überdauert. Auch sollte man in der alten Bezeichnung „Gasse“ nicht etwas Minderwertiges sehen, denn Gasse ist die mittelal­terliche Benennung für Straße und zeugt immer für ein hohes Alter einer Stadt. Die berühmteste Geschäftsstraße in Salzburg ist heute noch die alte Getreidegasse, aus der auch Mozart stammte und viele solcher alten Gassenna­men werden heute noch in unseren deutschen Städten ge­führt.

      Kommen wir jetzt zur Stadt Fritzlar. Um dieses Thema einigermaßen übersehen zu können, teile ich den Grundriß unserer Stadt innerhalb der alten Stadtmauer in vier Bezirke, den Dombezirk, den Marktplatzbezirk, den Bezirk an der evangelischen Stadtkirche und den Bezirk um das alte Deutsch-Ordens­haus an der Fraumünsterstraße, wie die früheren Stadtbe­zeichnungen lauteten- Stadtteile A, B, C und D.

      Beginnen wir mit dem ältesten Teil unserer Stadt, dem Dombezirk. Dort liegt am oberen Ende des Domplatzes wohl die älteste Gasse, der Ziegenberg. Eine Wegeverbin­dung vom Büraberg durch die Ederfurt und die untere Neu­stadt zum Domplatz. Sein Name weist uns in die vorchrist­liche Zeit, wo noch dem heidnischen Gotte Donar an der Domreiche, am Platze des heutigen Domes, die Ziegenopfer dargebracht wurden. Deswegen kamen auch noch in der  vorreformatorischen Zeit die Bewohner von Geismar einmal im Jahr mit einem Baum zum Dom, um hier das Baumfest zu feiern, welches an die Fällung der Domreiche durch Bonifatius erinnerte,

      Auf dieser alten Kultstätte wurde nach der Fällung der Domreiche Fritzlars erste christliche Kirche mit einem Be­nediktinerkloster erbaut. Bei der Legung der Fußbodenhei­zung im vergangenen Jahr hat die Fundamentforschung er­geben, daß diese erste steinerne Kirche schon eine große beachtliche Bauanlage gewesen sein muß. Das Benediktiner­kloster wandelte sich etwa um 1000 in ein Chorherrenstift. Um 1250 entstand der heutige Dom, der dritte an dieser Stelle, seit dieser Zeit haben wir den Dombezirk so wie er sich uns heute noch darbietet.

      In der Vergangenheit nannte man diesen Bezirk die alte „fritzlarer familia“, gemeint war damit das St. Peter-Stift, der Dom und seine 18 Kurien, die Wohnhäuser der meist adligen Stiftsherren mit ihren Hörigen.

      Gehen wir mal den vergangenen Spuren der verschiedenen Kurien nach. Da wäre zuerst die Propstei zu nennen, die Wohnung des Fritzlarer Propstes, sie stand links vom Wege - zur sogenannten heiligen Ecke und ist im vergangenen Jahr abgebrochen worden, dessen freier Platz soll in Zukunft An­lage werden.

      Die hohe Stellung, die der Propst von Fritzlar in ganz Hessen eingenommen hatte, machte die Propstei selbst für Fürsten und Grafen begehrenswert. In der langen Reihe der Fritzlarer Pröpste finden wir einen Landgrafen von Hessen, mehrere Grafen von Ziegenhain, einen Grafen von Waldeck, einen Grafen von Isenburg und Büdingen, zwei Grafen von Nassau und sogar einen Kardinal.

      Der kleine Weg zur „Heiligen Ecke“ hat seinen Namen von der Nische, in welcher eine Figur des Gründers des Domes, der heilige Bonifatius, aufgestellt ist. Neben der Propstei, ge­trennt durch das Dechaneigäßchen, steht die heutige Decha­nei, eine der ältesten Kurien mit gotischem Staffelgiebel. Hinter dem Dechaneihof lag früher noch eine kleine Kurie, genannt „der halbe Hof“ am Zuckmantel. Der eigenartige Name „Zuckmantel“ weist auf ein hohes Alter hin, im Mit­telalter nannte man Rauben „Zucken“ und den halbhohen Rundbau an der Stadtmauer „Mantel“, so daß man unter dem Namen Zuckmantel „Raubbefestigung“ zu verstehen hat. Neben der Dechanei stand die „Kurie am Friedhof mit dem Brunnen“, die vor zwei Jahren abgebrochene Küsterei. Sie war schon 1285 die Kurie des Magister Wilhelm. An ihr vor­bei geht das sogenannte Küstergäßchen, an dessen unterem Ende stand auf dem heutigen Grundstück von Dr. Hegewald die „Kurie mit der Steinsäule am Steingossentor“, erbaut um 1320. Ihr gegenüber lag die „Kurie am Steinweg“ heute Haus Gerhard Faupel. Der Steinweg hat seinen Namen von den Stein­metzen, die früher dort wohnten. Sie waren wohl von der ehemaligen Dombauhütte hier seßhaft geworden und sind die Steinmetzen von den kunstvollen Grabsteinplatten, die noch in großer Zahl erhalten sind.

      Neben der Kurie am Steinweg lag rechts die „Kurie am Has­pel“ oder auch der grüne Hof genannt. Die Haspel war ein Drehrad, das nur den Fußgängern erlaubte, den Weg zum Totenhof am Dom zu begehen.

      Die Holzgasse, heute Neustädter Straße, hatte ihren Namen von dem Weg nach dem im Jahre 1402 zerstörten Dorf Holz­heim. Es lag etwa in der Gegend, wo heute der Bauernhof Man­der am Rothhelmshäuserweg liegt.

      Den beiden zuletzt genannten Kurien gegenüber lag die „Kurie auf der Ecke zur Münstergasse“ heute Bürgerhaus. Neben dieser lag die kleine „Kurie in der Holzgasse“ an der Stelle, wo 1896 die jüdische Synagoge erbaut wurde und die man in den 40ger Jahren zerstörte, heute Haus Zahnarzt Böhm. Ihr fast gegenüber lag ebenfalls eine Kurie, an die noch der Eingangsbogen zur heutigen städtischen Bedürfnisanstalt er­innert.

      Wir gehen wieder zurück zum ehemaligen unteren Friedhof, heute Dr. Jestädtplatz. Er erhielt den Namen zu Ehren des verstorbenen Stadtdechanten „Monsignore Dr. Wilhelm Jestädt“, der sich große Verdienste um die Restaurierung des Domes, die Errichtung des Dommuseums erworben hatte und der Schriftsteller der „Festschrift zur 1200 - Jahrfeier der Stadt Fritzlar“ war.

      An der Stelle der früheren Lateinschule, heute Pfarrheim, lag die „große Kurie am Friedhof“, an der Stelle der früheren Prä­parandenanstalt, heute Gymnasium, die „kleine Kurie am Friedhof“.

      Ein Stück Mittelalter ist uns geblieben in der „Kurie in der Fischgasse“, ihr gegenüber lag die „Kurie bei der Fischgasse“, deren Reste im Hof des ehem, kath. Kindergartens stehen. Die Fischgasse hat ihren Namen von der früheren Fischbank, heute das Haus der Fleischerei Krause. Anstelle des ehem. katholischen Kindergartens war die „Kurie gegen der Luchten“ ge­legen, eine der alten städtischen Beleuchtungen. Ihr folgte die „Kurie auf dem Friedhof“ beim Rathaus, auf des­sen Platz der neue Rathausanbau steht.

      Am oberen Friedhof, 1827 Paradeplatz genannt, wegen der hessischen Husaren, die ihre Kaserne im Hochzeitshaus hatten und diesen Platz als Exerzierplatz benutzten, heute Domplatz, standen die restlichen drei anderen Kurien. Die „Kurie ob dem Friedhof“, heute Haus Marienburg Dr. H. Dietrich, an dessen Haus noch die Hankrat'schen Wappen angebracht sind. Die „Kurie beim Schulhof“ ist das Haus neben dem neuen katholischen Kindergarten mit dem großen gotischen Torbogen. Sie war schon 1247 vom Scholastiker Heinrich von Rüsteberg bewohnt, welcher im genannten Jahr Bischof von Hildesheim wurde. Als letzte der 18 Kurien ist noch das „Kapitelhaus“, heute die Waage bei dem Kumpf, am Domplatz, zu nennen. In der 800-jährigen Geschichte des Fritzlarer St. Peter-Stift lassen sich etwa 450 meist adlige Stiftsherren nachweisen. Damit wäre am Dombezirk das geistig-kirchliche Zentrum unserer Stadt in groben Zügen beschrieben, das weltlich-poli­tische Zentrum wird in der Fortsetzung besprochen.

                                                                                                        H. J. Heer

GLOSSAR:

KURIE = Päpstliche Zentralbehörde

SCHOLASTIK: Mittelalterliche Philosophie; engstirnige Schul­weisheit

SCHOLASTIKER: Lehrer der Scholastik, reiner Verstandes­mensch, spitzfin­di­ger Mensch

KAPITALHAUS : Sitzungshaus der Kurie

Wochenspiegel Nr. 14/05, vom 02. April 1971, S. 1-2 

Die Fritzlarer Gassen- und Straßennamen mit ihren historischen Gebäuden, 
ein Beitrag zur Stadtgeschichte

Erste Fortsetzung

 Das geistig-kirchliche Zentrum im mittelalterlichen Fritz­lar lag, wie im ersten Artikel beschrieben wurde, haupt­sächlich am heutigen „Dr. Jestädtplatz“. Das weltlich-po­litische Zentrum haben wir in jener Zeit am Domplatz zu suchen.

      Da wäre zuerst mal die ehemalige Kaiserpfalz zu erwähnen. Sie lag nach den Ansichten der historischen Wissenschaftler Dr. Jestädt und Dr. Demandt an der rechten Domplatzseite vom Dom aus gesehen. Erhärtet wird diese Tatsache noch durch das Vorhandensein der ehem. Johanneskirche. Sie stand auf dem Grundstück Nr. 10, dort wo heute Herr Dekan Barth wohnt; Pfalzkapellen waren im Mittelalter meistens dem hl. Johannes geweiht. Hinzu kommt noch die eigen­artige Gassenbezeichnung „Meyde-Weg“, welcher parallel zum Domplatz hinter den Häusern der rechten Seite her­läuft, Der Name „maior“ wird als Weg zur „Königsvillae“ gedeutet. Prof. Rauch hielt das Gebäude der alten Waage am Kumpf für die Reste der Kaiserpfalz, dessen Rückseite noch heute romanische und frühgotische Bauelemente auf­weisen. Möglicherweise könnten alle Recht haben, wenn man sich die Pfalzanlage ähnlich wie in Ingelheim die Bo­denforschungen ergeben haben, in einem großen Karree vorstellt. Grabungen würden wahrscheinlich Klärung brin­gen, Fest steht auf alle Fälle, daß in Fritzlar eine Kaiser­pfalz vorhanden war, auf die noch heute verschiedene Ur­kunden hinweisen. 11 deutsche Kaiser und Könige residier­ten in Fritzlar. Auch wurden mehrere Reichs- und Kirchen­tage in Fritzlar abgehalten, bei denen der Kaiser und die Großen des Reiches hier anwesend waren. Von 22 Kaiserbe­suchen lassen sich noch die Urkunden von den Kaiserbe­schlüssen, welche in Fritzlar getätigt wurden, nachweisen. Die Namen der Kaiser und Könige sind folgende:

Konrad I. König der Franken 911/18, Burgsitz in Fritzlar

König Heinrich I. 919 Königswahl in Fritzlar, erster König der gesamtdeutschen Stämme

Kaiser Otto I. 936/73. (Von Kaisern, die mehrmals in Fritzlar weilten, steht die Regierungszeit dahin­ter).

Kaiser Otto II. 973/83.

Kaiser Heinrich II. 1002/24, stiftete lo2o das Edel­steinkreuz im Domschatz.

Kaiser Konrad II. 1024/39. Kaiser Heinrich III, 1039/56.

Kaiser Heinrich IV. 1056/1106, als Canossa-­Kaiser bekannt.

Rudolf von Schwaben, Gegenkönig, zerstörte Fritzlar 1079.

Kaiser Heinrich V. 1104 und der letzte Kaiser Konrad III, 1145 in Fritzlar.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auch auf die große Gerichtsstätte vor dem alten Westportal des Domes hinzuweisen, Hier wurden Urteile von reichs- und weltge­schichtlicher Bedeutung gefällt. So unter anderm der Bann über Kaiser Heinrich V. am 28. 7. 1118 durch den päpstlichen Legaten Kuno von Präneste im Beisein der Großen des Reiches. Gerichtsraum war der freie Platz vor dem Dom, nur ein ein­faches Bretterdach schützte vor Regen und Sonne. Man war es von der germanischen Zeit her auch gar nicht anders gewöhnt, Gericht wurde unter freiem Himmel auf den alten Dingstät­ten gehalten. Deswegen erfolgte auch 919 die Wahl des ersten deutschen Königs, Heinrich I. nicht im Dom, sondern auf der ehem. Dingstätte vor dem Dom. Später, um 1260, wurde an dieser Stelle eine offene Gerichtshalle erbaut, wie es in alten Urkunden hieß ein „Adrium“, gemeint ist damit das heutige Paradies. Die großen Tage der Reichsversammlungen waren aber in Fritzlar vorüber. Das sächsische Kaiserhaus war mit Heinrich V. erloschen, die folgenden Hohenstaufen-Kaiser zogen den warmen Süden Italiens  dem kühlen Norden Deutschlands vor, um von dort die Ge­schicke des Reiches zu leiten, somit diente dann diese Halle kirchlichen Zwecken als Paradies.

      Das zweite historische Gebäude, was schon auf eine 900 jährige Geschichte zurückblicken kann, ist unser Rathaus, das älteste Amtsgebäude Deutschlands. In seinen romanischen Anfängen etwa um 1050, war es die Vogtei. Vögte vonFritzlar waren in jener Zeit die Landgrafen von Thüringen, die dort auch ihre Gerichtstätigkeit ausübten, Im 13. Jahrhundert wurde die Vogtei gegenstandslos, deswegen verkaufte Land­graf Konrad 1231 dieses Gebäude dem Kloster Berich, wo es dann 1266 durch zweite Hand von dem Fritzlarer Ratsmann Swineouge zum Zwecke eines Rathauses erworben wurde.

      In den folgenden 700 Jahren, wo diese alte Vogtei als Rat­haus diente, haben 167 Bürgermeister in ihm amtiert. Ro­manisch sind noch die beiden Keller und die Eingangsbögen an der Westseite des heutigen Gebäudes.

      1442 erhielt das Rathaus sein gotisches Aussehen, etwa so wie es nach der Renovierung von 1964 wiederhergestellt wurde. Im Mittelalter diente die ebenerdige große Rathaushalle an gewissen Wochentagen den Tuchwebern als Verkaufshalle, die Käufer konnten sich an der Fritzlarer-Elle, welche noch heute an der Nordseite des Domes vorhanden ist, von der Richtigkeit der Tuchlänge überzeugen.

      An der Westseite des Rathauses führt eine Straße mit dem Namen „Zwischen den Krämen“, sie erhielt diesen Namen von den Krämerläden, die dort seßhaft waren. Eines dieser alten Krämerhäuser ist uns noch in dem Haus Faupel gegen­über dem Rathaus erhalten geblieben. Es kann schon auf ein halbes Jahrtausend zurückblicken, links von der Haustür muß man sich den Verkaufsladen vorstellen, Es wurde ein­fach die große Fensterlade nach der Straße zu aufgekippt, so war gleich der Verkaufstisch vorhanden, an denen sonntags die Landbevölkerung, wenn sie vom Dom kamen, ihre Ein­käufe tätigten. Der Weg an der Ostseite des Rathauses hat den Namen „Spitzengasse“, weil es den spitzen Häuserkom­plex vom Rathaus trennt.

      Ein weiteres weltliches Gebäude am oberen Ende des Domplatzes war das kurmainzische Amtshaus, später Schule, heute evangelischer Kindergarten und Pfarrheim. Über der unteren Haus­tür ist noch heute das Mainzer Rad mit dem Kurhut erhalten, Die mainzischen Oberamtmänner und sein stellvertretender Amtmann, waren die ranghöchsten weltlichen Persönlichkei­ten in Fritzlar, Oberamtmänner waren außer dem Landgrafen von Hessen, die Grafen von Nassau, von Ysenburg-Büdingen, von Waldeck, von Ziegenhain und andere mehr. Sie weilten nur zeitweilig in Fritzlar. Festen Wohnsitz hat­ten dagegen die Amtmänner, sie stammten meistens aus dem Uradel. Die Fritzlarer Amtmänner verwalteten den mainzi­sehen Grundbesitz in Hessen bis zum Eichsfeld, gleichzeitig sind sie als Zivil- und Militär-Gouverneure zu betrachten.

      Letzter Amtmann von Fritzlar war Franz Ludwig von Weiters­hausen. Ein Epitaph mit 64 adligen Wappen dieser Familie befindet sich im Dom in der Seitenkapelle neben dem Ein­gang zum Kreuzgang, Diese Familie von Weitershausen stif­tete auch zwei der noch erhaltenen Wegekreuze, eins in der Fraumünsterstraße und das andere Ecke Hellenweg-Kasseler Straße.

      Das Stück Weg vom Amtshaus bis zum Ziegenberg ist die Rit­tergasse. Dort und am oberen Domplatz wohnten in den restlichen Häusern die ritterlichen Vasallen des Stiftes. Sie waren die Burg­männer des mainzer Erzbischof~, der ja gleichzeitig Stadtherr von Fritzlar war, der den Rittern die mainzischen Besitzungen in Hessen als Lehn überließ.

      So sieht man noch am Haus Nr. 14 das Wappen der Burgman­nen Familie von Katzmann, 22 solcher ritterlichen Vasallen zähle das Fritzlarer Stift.

      Daher kann man heute noch Wappen von den hessischen Rit­tern: von Wildungen, von Schomberg, von Linsingen, von Gilsa, von Urf, von Elben und andere mehr in Fritzlar finden. Der Roßmarkt hat seinen Namen von den Pferdestallungen, in welchen die Ritter ihre Pferde stehen hatten, Der Weg oberhalb des Amtshauses gehörte mit zu der alten „Bischofsgasse“, er führte zur erzbischöflichen Burg. Dieselbe lag zwischen dem Frauenturm und der noch heutigen Wegebezeichnung „Am Burggraben“, auf dem Gelände am „neuen Gestück“ (eine Bezeichnung für die halbhohe Bastei in der Stadtmauer), wo sich der Schulgarten der St. Wigbert- Kinderpflegerinnen­schule befindet. Die alte Burg ist 1229 von den Mannen des Landgrafen Konrad zerstört worden. Den Aufbau einer neuen Burg wußte das Fritzlarer Patriziat und die aufstrebende Bür­gerschaft mit viel Geschick zu verhindern. Zumindest wurde der spätere Burgbau keine Zwingburg zum Schaden der Fritzlarer Bürger. Damit wäre also der Dombezirk im wesentli­chen beschrieben. Man kann wohl sagen, daß im Mittelal­ter ein interessantes Völkchcn dort wohnte. Fortsetzen ich in zwangloser Folge dieses Thema mit dem Marktplatzbezirk und sein Wirtschaftsleben.

GLOSSAR

Kaiserpfalz - Kaiserlicher Palast; Hofburg für kaiserliches Hofgericht

Karree - Viereck; Gruppe von vier

Dingstätte - Germanische Volks-, Gerichts- und Heeresversammlung

Gouverneur- Statthalter

Paradies - Portalvorbau an mittelalterlichen Kirchen Epitaph - Grabschrift; Grabmal mit Inschrift

Wochenspiegel Nr. 17/05, vom 23. April 1971, S. 1-2 

Die Fritzlarer Gassen- und Straßennamen mit ihren historischen Gebäuden, 
ein Beitrag zur Stadtgeschichte. (Der Marktplatz)

Zweite Fortsetzung

Die Grundrißgestaltung der neuen Stadt Fritzlar des frühen 12. Jahrhunderts gegenüber des alten Kerns um den Dombezirk, zeigt durch die zentrale Lage des Marktplatzes und die allein dadurch bestimmte Linienführung sämtlicher Straßen unwiderleglich, daß es wirtschaftliche Gesichtspunk­te gewesen sind, die diese Art der Stadtplanung bedingten. Die Leistungen der ältesten Fritzlarer Kaufmannschaft des 12. bis 15. Jahrhunderts stellten die Führungskräfte des Fritzlarer Wirtschaftslebens. Gleichzeitig war die Einheit von Großkaufleuten und Ratsfamilien, die das Fritzlarer Patriziat bildeten, in der besonderen Gilde der Michaelsbru­derschaft vereinigt. Hinzu kam noch die beträchtliche Zahl der verschiedenen Handwerker, welche mit ihren Zünften einen beachtlichen Wirtschaftsfaktor darstellten.

      Nicht die zahlreichen Liegenschaften an Äckern, Wiesen, Gärten und Weinbergen, welche die Fritzlarer Einwohner­schaft im weiten Umkreis zusammenbrachte, also eine vor­wiegende landwirtschaftliche Bestätigung, war die Grundla­ge des Reichtums der führenden Fritzlarer Familien, sondern es war vielmehr ihre Handelstätigkeit und ihr Gewerbefleiß, auf dem ihr Wohlstand beruhte und erst dieser führte dann auch zu einem weit ausgedehnten Güterbesitz.

      Fritzlar war nicht nur im Besitz von bestimmten Jahr- und Wochenmärkten, sondern besaß auch einen ständigen Markt. Zu den beiden alten großen Jahrmärkten am 1. Mai und am 10. August kam 1464 noch ein dritter Jahrmarkt im Ok­tober hinzu. Im Mittelalter erstreckte sich der Einflußbereich des Fritzlarer Marktes über ganz Niederhessen und Waldeck, denn der Gebrauch von Fritzlarer Münze und Maß, welche seine Ausdehnung am sichersten kennzeichnet, war im 15. Jahrhundert für ganz Hessen maßgebend. Seit frü­hester Zeit wurden durch die Großkaufleute auf den Fritz­larer Märkten die wertvollen Fernhandelsartikel wie kost­bare Tuche, Pelze, Seide, Gewürze, Spezereien, Südfrüch­te und Weine gehandelt. Zudem war Fritzlar ein hervorra­gender Handelsplatz für Getreide und Wolle. Die Erzeug­nisse von 25 verschiedenen Handwerks- und Gewerbezwei­gen, die nicht nur für den städtischen Bedarf gearbeitet ha­ben, von denen sich ab Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts 332 Betriebe nachweisen lassen, geben uns noch heute ein anschauliches Bild über die Wirtschaftsmög­lichkeiten in unserer Stadt.

      Der Fritzlarer Marktplatz mit seinen Geschäftshäusern und Standplätzen war ein einzigartiges Großkaufhaus. Die Michaelsbruderschaft besaß außer ihrem Gildehaus mit dem Türmchen, heute Drogerie Busch, noch zwei Kaufhäuser am Markt, möglicherweise die beiden links und rechts vom Gildehaus. Die heutige Kreissparkasse war früher die Bäcker­schirne, wo die Bäcker gemeinsam ihre Waren feilboten. Die Fleischerschirne war im heutigen Zigarrenhaus Thiel und die Fischbank im Hause Metzgerei Krause. Im Lam­bert'schen Haus war die Fritzlarer Münze, die von den Goldschmieden geführt wurde. 16 Goldschmiedemeister las­sen sich für diese Zeit urkundlich in Fritzlar nachweisen. Ihre Erzeugnisse sind außer im Domschatznoch in vielen Museen in Deutschland und darüber hinaus nachweisbar. Die heutige Volksbank war ein Handelshaus der Patrizierfamilie Iwan, die zusammen mit der verschwägerten Patrizierfamilie Terkis schon damals ausgedehnte Geldgeschäfte in bankähn­licher Art tätigten. Das Haus Bäckerei Hetzler war eine der Fritzlarer Brauereien, möglicherweise in Verbindung mit dem Haus Seibel, früher der berühmte Gasthof „Zur Lilie“, erbaut um 1480 von der Patrizierfamilie Iwan. Hessische Fürsten, Landgrafen, Mainzische Räte, adlige Herren und Kaufleute gehörten zu ihren Gästen. Im 30-jährigen Kriege war der Bruder des deutschen Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm und Fürst Piccolomini Gast, sowie Generalfeld­marschall Graf Tilly, die Generale Graf Goetz, Galls und Isolani weilten mehrmals dort.

      Das steinerne Haus Ille, wo heute die Hessische Allgemeine ihre Redaktion hat, war ein Handelshaus der Patrizierfamilic Terkis. Alle übrigen Häuser am Markt waren ebenfalls Ge­schäftshäuser, hinzu kam noch der Marktplatz mit den of­fenen Verkaufsständen, in dessen Mitte noch heute der Markt­brunnen mit dem Roland steht, ein Rechtswahrzeichen, Sinn­bild der städtischen Banngewalt, des Markt- und Gerichts­bannes.

      Wir ersehen aus der damaligen Wirtschaftssituation, daß Fritzlar im Mittelalter eine weit größere Bedeutung als heute hatte, war sie ja bis zur Reformation die Landeshauptstadt von Niederhessen. Diese eingehenden Erkenntnisse des Fritz­larer Wirtschaftslebens verdanken wir den Urkundenforschun­gen von Dr. K, E. Demandt aus seinen verschiedenen Ge­schichtswerken.

      Folgende Gassen laufen strahlenartig vom Markt zur Stadt­mauer: Die „Hundgasse“ weist auf uns die Hundsburg am Haddamartor hin; der Name stammt noch aus dem Germa­nischen, der Führer einer Hundertschaft war der „Hund“, Die Grebengasse gabelt sich mit der Rosengasse. „Grebengasse“ und Grebenturm haben ihren Namen von den dort wohnhaf­ten Greben, (Grebe = Gemeindevertreter). Der blumige Name „Rosengasse“ mit Rosenturm war im Mit­telalter das Eroszentrum; wo von der Stadt das Frauenhaus mit der Meisterin und dem Wirt gehalten wurde, eine Ein­richtung großstädtischer Gewohnheiten. Die „Schildergasse“ weist uns auf den für ganz Hessen einmaligen Beruf der Schil­derer hin. Unter diesem Kunsthandwerk hat man die heraldi­schen Arbeiten zu verstehen, wie den Wappenschmuck der ritterlichen Rüstungen, also insbesondere die Ausstattung der Schilde, Helmzierden, Wappenröcke, Pferdedecken und Banner, auch Bronzeguß von Wappentafeln, wie sie noch im Dom erhalten sind. Da die Erzeugnisse der Kunst der Schil­derer in Fritzlar allein nicht unterzubringen waren, müssen sie für eine auswärtige Abnehmerschaft gearbeitet haben, und als solche kommt nur der hessische Adel in Frage, des­sen enge Beziehungen zur Stadt durch das dortige Stift ge­geben waren, da dieses bis in das 14. Jahrhundert nur Herren adeliger Abkunft offenstand.

      Naturgemäß ist von diesen vergänglichen Schöpfungen nicht viel erhalten, wenn man nicht die herrlichen ältesten Toten­schilde der hessischen Landgrafen in der Elisabethkirche zu Marburg, wo ein solches Handwerk damals nicht nachweis­bar ist, als Fritzlarer Arbeiten ansprechen kann.

      Am Anfang der Schildergasse zweigt das „Lierloch“ ab (=Lauerloch), Der Name deutet auf einen ehemaligen Mauervorsprung hin. Der Rundgang hinter der Stadtmauer - auch Rondengang genannt - heißt in Fritzlarer Mundart einfach „hinger de mure“. Das Wegestück „am Hochzeitshaus“ weist auf Fritzlars ältestes Bürgerhaus hin; das Gebäude erstreckt sich über zwei Straßen und ist noch heute das größte Fach­werkhaus Hessens. In den Jahren 1580-90 wurde der stattli­che Fachwerkbau in reicher Renaissance mit kräftig gezeichneten Gesimsen und steinernem Erdgeschoß erbaut. An dem Treppenturm vor der Westseite ein fein ornamentiertes Portal von „Andreas Herber“, eine bekannte Kunsthandwerkerfamilie aus Kassel. Die Türrahmung enthält im oberen SturZ folgende Zeilen:

DAS.HAUS.STET.IN.GOTTES.HAND.DAS.HOCH­ZEIT.HAUS.IST.ES.GENAT. Es war in seinen fast 400 Jahren ein Mehrzweckhaus im wahrsten Sinn des Wortes.- als Hochzeitshaus und für Familienfeste erbaut, gefüllt mit Tischen, Stühlen und Schränken sowie Zinn und Leinen und Eßgeschirr. In den Kriegen als Lazarett benutzt und ausge­plündert, dann jahrelang als Husarenkaserne, auch zwischen­durch als behelfsmäßiges Rathaus, später die große Bürger­schule und nach dem letzten Kriege Krankenkasse und Be­helfswohnungen, heute Heimatmuseum. Die alte Bischofsgasse, heute „St, Wigbert-Straße“ erinnert an den ersten Abt des Fritzlarer Benediktinerklosters, welcher heilig gesprochen wurde und in der Domkrypta sein Hochgrab hat. Eingeschlos­sen wird der Marktplatzbezirk durch das „Geismartor“ und den „Grauen Turm“, die Kommandostelle der Fritzlarer War­ten; als solchen stellt er noch heute den größten Wehrturm Deutschlands dar.

Als Fortsetzung dieser Artikelserie beschreibe ich demnächst den Bezirk an der evangelischen Kirche.

H. J. Heer

Wochenspiegel Nr. 22/05, vom 22. Mai 1971, S. 1-2 

                  Die Fritzlarer Gassen- und Straßennamen mit ihren historischen Gebäuden                       - ein Beitrag zur Stadtgeschichte (Stadtteil B)
 

Dritte Fortsetzung

Fritzlar, insbesondere der alte Stadtteil B zwischen der heu­tigen ev. Stadtkirche und dem ehemaligen Haddamartor, liegt an einer Haupt­straße, und zwar an der alten Völker­straße von Kopenhagen nach Sizilien, die heutige Bundes­straße 3.

      Vom Marktplatz an aufwärts hieß die Straße früher "Hadda­margasse", heute (ab etwa 1948) Kasseler Straße und abwärts die °Werkel­gasse", heute Gießener Straße, Vom Werkeltor aus zweigte früher eine Straße am Exerzierplatz vorbei nach Werkel.

      Wie Gießen zu der Straßenehre kam, habe ich nicht feststel­len können -Marburger oder Frankfurter Straße wäre da sinn­voller gewesen- der Volksmund nennt sie heute auch noch die Poststraße.

In diesen beiden alten Hauptgassen haben wir uns zum großen Teil die Wohn- und Lagerhäuser des Fritzlarer Patriziats zu denken, Der Reichtum dieser Großhandelsfamilien spiegelt sich noch heute in den alten Stein- und Fachwerkhäusern wieder, Ihre Handelstätig­keit erstreckte sich über ganz West­deutschland bis nach Flandern, gleichzeitig waren sie die Bankiers nicht nur für die Fritzlarer Einwohner, sondern auch für die Landgrafen und den hessischen Adel,

28 Familien, die durch Generationen urkundlich bekannt sind, prägten die gehobene Schicht des bürgerlichen Bildes unserer Stadt, Es waren die Familien. Knorre und Grebe, Schindeleib und Pape.9 die Moischeidt, Müller und Bode, die Katzmann, Iwan und Wrede, vom Friedhof, Terkis und Same, und die von Felsberg, von Homberg, von Streithausen von Treysa und von Borken, die von Heimarshausen, von Kirchhain, von Waldeck, von Holzheim und von Ritte und schließlich die Familien von Melsungen, von Kirchberg, von Lemgo, von Sachsenhausen und von Beverungen.

      Aus ihnen heraus ragte wiederum eine besondere Patrizier­familie, die '"Terkis". Ihre Blütezeit liegt zwischen 1290 bis 1450~ Fünf von den noch erhaltenen elf mittelalterli­chen steinernen Wohn­häu­sern in Fritzlar waren in ihrem Be­sitz; denn steinerne Bürgerbauten dokumentierten im Gegen­satz zu der Masse der Fachwerkhäuser besonderen Reichtum.

      Dr. Demandt schreibt über diese Familie­: "Überblicken wir den Fritzlarer Häuser- und Zinsbe­sitz dieser Familie, ihre zahlreichen Äcker, Wiesen, Gärten, Weinberge und Weidenkulturen in der Fritz­larer Gemarkung und ihre Güter und Renten in Holz­heim, Geismar, Werkel, Gudensberg, Uttershausen, Dorla, Zennern und Toden­hausen und nehmen wir ihre enge Versippung mit den übrigen Fritzlarer Pa­trizierfamilien, vor allem aber ihre beherrschende Stellung im Fritzlarer Rat hinzu, dann ist kein Zwei­fel möglich, daß wir in der Familie Terkis die führen­de Fritzlarer Familie des 14. Jahrunderts zu sehen ha­ben. Fast 150 Jahre gehörten ihre Männer dem Rat an, nahezu 50 Jahre waren sie mehrfach durch zwei, drei ja vier Angehörige gleichzeitig im Rat vertreten, was sich sonst für keine andere Familie dieser Zeit nachweisen läßt, und 110 Jahre lang ist ihre ständige Wiederkehr auf dem Fritzlarer Bürgermeistersitz das eindringlichste Zeugnis für die Befähigung, das Anse­hen und das Vertrauen, mit der diese Familie vor al­len Fritzlarer Geschlechtern des 14. Jahrhunderts aus­gezeichnet war. Bei den schweren Vorherrschaftskämp­fen zwischen Adolf und Jo­hann von Mainz und Landgraf Hermann von Hessen, erhielt diese Familie so schwere Besitzstörungen und kamen in die Gewalt des Landgra­fen, von dem sie sich in den Jahren von 1402 bis 1403 durch tausende von Goldgulden in vier kurzfristigen Terminen freikaufen mußten, welches nach der heuti­gen Währung Millionen­beträge wären, denn in damali­ger Zeit kostete ein mittleres Wohnhaus etwa 100 Gold­gulden".

      Ich verzeichne diesen Vorgang nur, damit man sich ein bes­seres Bild von dem mittelalterlichen Wirtschaftsleben in Fritzlar machen kann. Heute wüßte ich niemanden, der über derartiges Vermögen in Fritzlar verfügte.

      Gehen wir nun den Gassen und Häusern entlang, da wäre zu­erst das schönste der Fritzlarer Stadttore, das "Haddamartor", zu nen­nen. Es hatte einen quadratischen Torturm mit vier kleinen Türm­chen, eine doppelte spitzbogige Durchfahrt, nach der Stadtseite hin befand sich ein Relief mit Christus am Kreuz nebst Maria und Johannes und nach außen war das noch jetzt im Kreuzgang des Domes erhaltene Relief des Stadtpatrons St. Martin mit den ältesten Fritzlarer Stadtwap­pen aus dem 14. Jahrhundert. Leider wurde dieses schöne Stadttor im Rahmen der Modernisierung im Jahre 1838 ab­gebrochen. Rechts vom Haddamartor lag der Hardehäuser Hof, eine Zisterzienser-Niederlassung des Klosters Hardehausen bei Warburg, heute das Haus "Hessischer Hof" im Besitz der Familie Hauptmann. Es reicht bis in das 12. Jahrhundert zu­rück und bestand bis 1775; romanische und gotische Bauteile sind noch heute an der Rückwand des Hauses zu erkennen. Es folgen nun rechts und links in der Haddamargasse die Fach­werkhäuser. Hervorzuheben sind die beiden gotischen Stein­bauten, die Stammhäuser der Familien Iwan und Terkis, heu­te Haus Burchart und van der Mispel. Um 1300 erbaut sind sie noch nach fast 700 Jahren eine Sehenswürdigkeit. Leider hat man auch hier 1902 ein drittes Steinhaus aus derselben Zeit, zwischen dem Haus Kelber und der Adler-Apotheke ab­gebrochen; die Stelle wirkt noch immer wie eine häßliche Zahnlücke. Von den stattlichen Fachwerkhäusern ist beson­ders das Haus, in welchem sich heute das Herrenmodege­schäft Lambert befindet, zu erwähnen. Es wurde 1631, mitten im 30jährigen Kriege, von den Eheleuten Jost und Eila Win­ter erbaut. Also in einer Zeit, in der ringsum in unserem Hessenland fast alle Städte in Schutt und Asche lagen. Zu er­klären ist diese Tatsache nur durch die außerordentliche wehr­hafte Stadtbefestigung.

       Zu den Wohnhäusern gehörten auch die rückseitigen großen Lagerhäuser, wie sie in der Hundgasse noch zu sehen sind. Welche geschäftlichen Transaktionen noch im Jahre 1600 in Fritzlar möglich waren, zeigt uns ein Wolleverkauf des Fritz­larer Händlers Heinemann an die Frankfurter Großwollhand­lung Soreau über 1500 Zentner Wolle, Die sperrige Wolle er­gäbe noch heute ca. 8000 Zentnersäcke voll, die eine Güter­zugsendung ausmachen würden; zu damaliger Zeit umfaßte sie etwa 60 Planwagen.

      Die heutige Martinsgasse war früher die "Judengasse", welche zusammen mit dem Jordan das Judenwohnviertel war, Juden lassen sich schon seit 1315 in Fritzlar nachweisen. 1935 hatte die Stadt Fritzlar noch 130 jüdische Einwohner. Gehen wir nur vom Markt zur Werkelgasse; hier zweigt links die "Vitsgasse" zur alten Judengasse ab. Ihren Namen verdankt sie wohl dem Vitusaltar in der Nikolauskirche, auf welchen sie zustößt. Das steinerne Wohnhaus, heute Gangolf Dietrich, ist etwa um 1320 von der Familie Terkis erbaut, hatte einen gotischen Staffelgiebel wie noch auf der Stadtansicht von 1572 erkenn­bar ist und erhielt wohl 1590 sein heutiges Gesicht, wie die Wetterfahne zeigt und ward früher der "Herrenhof" genannt, Die folgende Gasse ist die "Behnebach", was soviel wie Grenzbach besagt, wohl früher ein Bach oder eine Quelle, welche die zwei alten Brunnen auf dem heutigen Posthof mit Wasser versorgten. Die Gastwirtschaft Siebert ist auch eines der stei­nernen Häuser aus dem 14, Jahrhundert. Als letzte Gasse vor dem Werkeltor zum Jordan ist die "Brüdergasse" (zu nennen); ihren Na­men hat sie von den Franziskaner-Brüdern, die 1237 in dieser Gasse und an der Stadtmauer ihr Kloster mit Kirche errichteten und (welche) seit dem Jahre 1824 evangelische Stadtkirche wurde; ein Meisterwerk der hessischen Gotik. Über dem alten Eingang zum Kloster befindet sich noch heute eine Franziskaner-­Figur mit einem Kruzifix in den Armen aus dem Jahre 1690, Aus gleicher Zeit ist das Haus schräg gegenüber mit der schö­nen Barockhaustür, welches die städtische Lateinschule St. Bonaventura war und von den Franziskaner-Brüdern geführt wurde.

Die Stadtmauer mit dem Jordansturm umschließt noch heute diesen alten Fritzlarer Stadtteil B. Als letzten Beitrag dieser Artikelserie werde ich demnächst den Stadtteil C mit der Neustadt beschreiben.

                                                                                                                                                                                                                                             H.J. Heer

Wochenspiegel Nr. 45/05, vom 05. November 1971, S. 1-2 

                   Die Fritzlarer Gassen- und Straßennamen mit ihren historischen Gebäuden                       - ein Beitrag zur Stadtgeschichte (Stadtteil C)

Vierte Fortsetzung

Um den interessierten Lesern dieses Thema in das Gedächt­nis zurückzurufen, verweise ich auf die vorausgegangenen Aufsätze im diesjährigen Wochenspiegel Nr. 12, 14, 17, und 22.

      Bevor ich zu der Beschreibung der Gassennamen des Stadt­teils C innerhalb der Altstadt komme, muß ich den Lesern noch den überwiegenden Teil der Bürgerschaft im mittelal­terlichen Fritzlar vorstellen. In den vorausgegangenen Auf­sätzen hatte ich Ihnen drei besondere Einwohnerklassen un­serer Stadt beschrieben; es waren die Stiftsherren, - sie stammten meistens aus den mitteldeutschen Räumen und waren größtenteils von adliger Geburt; die Stiftsvasallen, - sie kamen aus dem hessischen Landadel und das Fritzlarer Patriziat, - sie waren zum Teil Fritzlarer Ureinwohner bis auf jene, welche als Hausnamen die Namen ihrer ehemali­gen Wohnorte angenommen hatten.

      Es war aber in der Vergangenheit keinesfalls so gewesen, daß die gehobene Klassenschicht in unserer Stadt die Masse der bürgerlichen Einwohner beherrschte. Natürlich gab es da, wo Klassenunterschiede vorhanden waren, auch Reibe­reien, aber die Stadtgemeinde hat es in ihrer Vertretung durch das "Gemeinde Wort" immer verstanden, ihre Belan­ge beim Stadtherrn, dem jeweiligen Erzbischof von Mainz, durchzusetzen.

      Die allgemeine Bürgerschaft bestand ausschließlich aus Hand­werkern und Gewerbetreibenden. Bäuerliche Betätigung wie sie uns in kleineren Städten, besonders seit den Zusammen­brüchen des 30-jährigen Krieges häufig begegnet, gab es im mittelalterlichen Fritzlar nicht. Zwar gehörte zum städ­tischen Bereich eine große Feldmark mit Wald, Äckern, Weinbergen und Gärten. Von diesen bearbeiteten die Fritz­larer Bürger selbst jedoch nur ihre eigenen, unmittelbar um die Stadt herumliegenden Gärten und ihre Weinberge, die sich an den Hängen des Ederufers entlang zogen. Die Äcker der Feldmark wurden in der Regel von der Bevölkerung der umliegenden Dörfer bearbeitet, denen sie in Erbpacht oder in einer anderen Form der bäuerlichen Land­nutzung zur Bewirtschaftung übergeben waren. Im ganzen gesehen ein Einwohnerbild, wie wir es noch heute in den größeren Städten vorfinden.

      Den Stadtteil C beginne ich mit der heutigen Postecke. Frü­her stand auf diesem Gelände die Nikolauskirche, die etwa im 13. Jahrhundert erbaut wurde. Im 17. Jahrhundert dien­te diese Kirche als Stadtarchiv, an deren Turm die älteste städtische Schlaguhr angebracht war.

      1878 besichtigte und kaufte der erste reichsdeutsche Gene­ral-Postdirektor Dr. von Stephan, Gründer des Postwesens, persönlich in Fritzlar das verwaiste Klostergelände mit der Nikolauskirche für die Deutsche Reichspost, auf welchem dann 1882 das heutige Postge­bäude errichtet wurde.

      Rechts an der Post vorbei, läuft die alte "Clobesgasse" (Clo­bes = Klaus) heute "Nikolausstraße", die ihren Namen der ehem. Nikolaus­kirche verdankt. Die zweite Brauerei in Fritzlar befand sich früher in dieser Gasse, im Hause der Konditorei Heer. Auf halbem Wege in der Nikolausstraße zweigt rechts diee heutige "Judengasse" ab; sie kam zu dem Namen, weil seit 1896 die Judenschule und die Synagoge an ihr lag.

      Etwas weiter abwärts biegt links die "Hintergasse" ein, frü­her die "Zansgasse" genannt - diese Gasse umschließt das Wohnviertel wie eine Zange.

      Gehen wir zurück zur Postecke in Richtung "Gießener Straße"; da ist von den Häusern der rechten Straßenseite das heutige Hotel Kaiserpfalz von Interesse. Es wurde im 14. Jahrhundert als steinernes Haus mit gotischem Fachwerkgiebel durch die Patrizierfamilie von Homberg erbaut (und) befand sich im 15. Jahrhundert im Besitz der Patrizierfamilie von Katzmann. 1719 waren in diesem Hause die Gründungsanfänge des heu­tigen Ursulinenklosters, ab 1720 wurde dieses Haus die "Thurn- und Taxi´sche" Posthalterei. Posthalter war durch mehrere Generationen die Familie Brotzmann. Um 1900 er­öffnete die Familie Bringmann in diesem Hause das Hotel "Englischer Hof", welches seit 1918 den Namen "Hotel Kaiserpfalz" erhielt.

      Die nahe am Haus vorbeiführende Flehmengasse wird be­reits schon 1286 als "platea flemyrigorum" erwähnt; sie hat ihren Namen von den eingewanderten Wollwebern aus der Stadt Breda in Flamen erhalten. Gleichfalls befand sich seit dem 14. Jahrhundert in der Flehmengasse eine Ordensnieder­lassung der "Beghinnen" - eine Schwesterngemeinschaft für häusliche Krankenpflege; ihr Klosterhaus war das steinerne Gebäude, wo sich heute die Büroräume der Großhandlung Schmitt und Durstewitz befinden. Neben dem Haus befand sich noch vor Jahren eine große gotische Torausfahrt mit Pförtchen, welches ehemals zu dem großen steinernen La­gerhaus der Deutschordensgesellschaft gehörte - heute La­gerhaus der vorerwähnten Firma.

      Die Hintergasse verbindet die Flehmengasse mit der Niko­lausstraße. Von ihr zweigt noch ein kleines Gäßchen ab mit der Benennung "Seidener Beutel". Darin haben früher die Beutelmacher (Handtaschenmacher) gewohnt. Auf der Stadtansicht von 1572 sieht man noch eine Fritzlarer Bür­gerin, die stolz einen "Seidenen Beutel" in der Hand hält. Auch der alte Fritzlarer Berufs- und Hausname "Schleier­macher" ist in diesem ehemaligen Textilviertel als Be­wohner zu finden.

      Alle drei Gassen münden in die "Fraumünstergasse" ein. Sie hat ihren Namen von der Fraumünsterkirche, welche vor dem Münstertor - Richtung "Roter Rain" liegt. Die Frau­münsterkirche ist als älteste Kirche von Fritzlar erhalten geblieben. Sie reicht mit ihren Bauanfängen bis in die ka­rolinische Zeit zurück (8. Jahrhundert). Sie wurde wahr­scheinlich von den bonifatianischen Benediktinern erbaut, welche solche abgelegenen Kirchlein zur inneren Besin­nung errichteten und sie meistens der Gottesmutter weihten.

      In der Münstergasse befand sich am Münstertor der ehema­lige "Deutsche Ordenshof'. Auf der linken unteren Straßen­seite in der langgestreckten Mauer ist heute noch eine gro­ße gotische Toreinfahrt mit dem darüber befindlichen Wap­pen des Landkomturs "Johann von Rehn" aus dem Jahre 1559 und ein Seitenpförtchen mit dem Deutsch-Ordenskreuz vorhanden. Dahinter liegt der große Barockbau der ehemali­gen Deutschordens-Komturei Fritzlar, erbaut im Auftrage des Grafen Franz von Schönborn 1720.

      Vor der alten Stadtmauer zwischen dem Münstertor und dem Werkeltor befindet sich Fritzlars erster Friedhof außerhalb der Stadt; er wurde bereits 1537 angelegt und ist noch heute Beerdigungsstätte.

Geht man vom Münstertor rechts hinter der Mauer den alten Rondengang entlang, kommt man zum Regilturm, wo sich auch früher das Regiltor befand. Es erhielt seinen Namen durch den vorgebauten Mauerriegel auch "regile" genannt, wie die alte Bezeichnung noch heute lautet.

      Vom Regilgäßchen gelangt man in die "Spitalgasse"; in ihr befand sich eines der ältesten Spitalgebäude, welches erst 1969 abgebrochen wurde und auf dessen Gelände heute ein Bungalow erstand.

      In diesem Zusammenhang wollen wir auch gleich einen kur­zen Blick auf die sozialen Fürsorgemaßnahmen unserer Stadt werfen. Sie war zum Teil in geradezu moderner Weise ge­regelt. Fritzlar hatte mit die ersten und meisten Ärzte von Hessen. Schon 1132 wird uns der älteste Fritzlarer Arzt "Heinrich" genannt; ebenso war der erste studierte Bürger­meister einer hessischen Stadt der 1279 genannte Fritzlarer Magister "Konrad" , zugleich Arzt unserer Stadt. Der erste bekannte Leibarzt der Landgrafen von Hessen "Johannes" stammte ebenfalls aus Fritzlar. Studieren konnten diese da­mals nur auf den europäischen Universitäten wie z. B. Paris, Bologna oder Padua, denn deutsche Universitäten gab es erst seit dem 14. Jahrhundert. Neben diesen Ärzten waren noch eine Anzahl von sogenannten Chirurgen oder Badern vorhan­den, welche einfache ärztliche Verrichtungen ausübten. Drei städtische Hebammen lassen sich schon im 15. Jahrhun­dert nachweisen. Krankenhäuser waren außer den schon ge­nannten die ehem. Klöster sowie das städtische Heilig-Geist­-Hospital an der alten Steinbrücke. Dort befanden sich auch die Isolierstationen mit ihren Cholera- und Leprahäusern.

      Die Spitalsgasse fand durch das Steingossentor seinen Abschluß, welches die Altstadt mit der Neustadt verbindet. Die Be­schreibung der Neustadt wird der nächste und letzte Artikel dieser Serie über Fritzlars Gassen- und Straßennamen sein.

                                                                                                                                                                                                                                             H. J. Heer

Wochenspiegel Nr. 50/05, vom 10. Dezember 1971, S. 1-2  

UNSERE STADT, IN DER WIR LEBEN

Die Fritzlarer Gassen- und Straßennamen mit ihren historischen Gebäuden Ein Beitrag zur Stadtgeschichte. (Die Neustadt)

Die Neustadt von Fritzlar, im Mittelalter auch die „Frei­heit“ genannt, ist garnicht mehr so ganz neu, denn mit einem Alter voll ca. 850 Jahren ist sie immerhin schon 100 Jahre älter als z. B, die ehem. Reichshauptstadt Berlin. Ihre Anfänge wurden durch den Bau eines Hospitals um 1140 von dem Propst Bruno von Weißenstein begründet, wel­ches dann später durch ein Augustinerinnen-Kloster mit Kirche erweitert wurde. Um nun diesen neuen Stadtteil für Siedler interes­sant zu machen, wurde auch in Fritzlar, wie in vielen anderen Städten, dem Neubürger gewisse steuer­liche Freiheiten gewährt, wovon der Name die „Freiheit“ stammt. Großen Zuwachs an Neubür­gern erhielt dieser Stadtteil um 1400 aus dem zerstörten Holzheim, von dem auch die durchgehende Straße in der Neustadt ihren Namen bekam, die ­„Holzgasse“", heute die Neustädter Straße ge­nannt, Zu­erst mit einfachen Mauern umgeben, erhielt sie etwa um 1580 eine starke Befestigungsanlage, wie die al­te Stadtansicht auf der Kopflei­ste des Wochenspiegels zeigt.

      Von der Stadt her konnte die Neustadt durch das Steingos­sen- und Fleckeuborntor betreten werden und durch das Winter- und Blei­chentor verlies man sie um in die Ederau zn gelangen.

      Beginnen wir den geschichtlichen Rundgang am Steingossentor. Es befand sich an der noch heute imposantesten Stadt­befestigungsstelle in der Neustädter-Straße, wo sich die Treppen zum Bad und die Trep­pen zum Zuckmantel fast gegenüber liegen. Er hatte seinen Namen von der alten Steingosse, welche unterhalb der Straße neben der Treppe die Abwässer der Altstadt von der Neustadt ableitete. Der links hinter der Mauer liegende Garten hieß die Bärengrube und rechts beginnt der große Amberg, früher mit Wein bewachsen.

      Geht man die Treppen zum Bad herunter, so sieht man in dem er­sten Mauersturz der Altstadtmauer zwei bearbeitete Steine einge­mauert, ein Löwe und ein Menschenköpfchen.

      Was sind dies nun für Steine, welches die Mauerhandwerker aus Achtung vor den bearbeiteten Stein dort einsetzten? Für uns Kinder hatte das früher eine ganz einfache Lösung, da hat eben ein Löwe ein Kind aufgefressen. Der Löwe im Renaissancestil stammt wohl aus dem 15, oder 16. Jahr­hundert, aber mit dem Köpfchen war es hon schwie­riger. Prof. O. Menghin, einer der bedeutensten Frühge­schichts­­wissenschaftler, dem ich dieses Köpfchen mal zeigte, hält es für keltisch also von einem Volksstamm aus der Zeit etwa 400 vor Christi. Verwundern braucht uns dies nicht, hat man doch in den letz­ten 20 Jahren Fundstücke von allen Vorgeschichtskulturen bis hin zur ältesten Steinzeit (150000 v. Chr.) in und um Fritzlar gefun­den, welche im Vorgeschichtsmuseum im Hochzeitshaus ihre Ausstel­lung fanden. Trotzdem kann man wohl mit Berechtigung sagen, Fritz­lar steckt voller Merkwürdigkeiten.

      Die Treppe selbst führt zum Steingossenturm, oder wie er auch noch genannt wird „Turm zum Bad“. Bei ihm entspringt der „Steingossenbrunnen“, dessen Wasser früher zum „Bür­gerbad“ benutzt wurde, welches sich in dem heutigen Häus­chen Arend befand. Geht man dem Gäßchen an diesem Hause abwärts und dann gleich rechts dem Seitengäßchen entlang, so kommt man zum Bonifatius­brunnen, wo früher auch eine Bonifatiuskapelle stand, dessen Wasser das zweite Fritzlarer Bad, das „Stiftsherrenbad“, speiste. Gebadet wur­de in gros­sen Zubern (Holzbottiche), dabei wurde gegessen und ge­trunken, gespielt und geliebt. Die Badstuben waren dadurch lukrative Steuereinnahmequellen der Stadt, welche wegen der Franzosen­krank­heit (Syphilis), wie überall in Europa im 16. Jahrhundert ihr Ende fand. Erst das 20. Jahrhundert machte das Baden in allen Arten wieder volkstümlich.

      Die Treppen hinter der Mauer abwärts vom Steingossenturm führt zum Bleichenturm und ehemaligen Bleichentor, wie schon der Name besagt, zu den städtischen Bleichen. Der Weg in­nerhalb dieser Neu­stadtbefestigung vom Bleichentor zur  Klostermühle heißt „Das gol­de­ne Loch“. Hier wohnten ehe­mals in den kleinen Häusern die Gold­wäscher, denn Gold wurde noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhun­derts in der Eder gewaschen. Man muß mit Recht annehmen, daß die Gold­schmiedearbeiten des Fritzlarer Domschatzes aus Fritz­larer Edergold entstanden sind.

      Die Klostermühle, wovon der angrenzende Mühlenberg seinen Namen hat, gehörte mit dem dabei liegenden Kloster­gut zum Ursu­linenkloster. Von der Südseite her ist der baro­cke Internatsbau mit der älteren gotischen Katharinenkirche in seiner ganzen Größe und Schönheit zu sehen. Auf dem verwaisten Gelände des ehem. Augu­stinerinnen­-Klosters wurde in den Jahren von 1713-19 das heutige Ursu­linen-Kloster erbaut. Die Gründerinnen kamen 1711 vom Mut­ter­kloster der Ursulinerinnen aus Metz, es waren die Schwestern: Augustine Gräfin d' Aspremont, Magdalene Marquise von Valombre und Bernadine Baronesse von Lö­wenstein. Ihre hohe adlige Herkunft öffnete ihnen leichter Tor und Tür zwecks Gründung eines Mädchen-Pensionates. In großherziger Weise unterstützte sie Landgraf Karl von Hessen, desgleichen auch sein Sohn Friedrich I. der spätere König von Schweden, der ihnen eine Glocke und eine Turmuhr schenkte. Ebenso fanden sie an dem Grafen von Waldeck einen hervorragenden Wohl­täter. Auch der Mainzer Kurfürst Franz von Schönborn zeigte ihnen sein Wohlwollen und seine Unterstützung. So gedieh also das Werk.

      Im Jahre 1712 traten schon die ersten deutschen Mädchen ins Pen­sionat ein. Es waren die 9-jährige Tochter des kur­pfälzischen Gesandten von Sickingen, die 9-jährige Komtes­se von Königsfeld und die 12-jährige Baronesse von Ingel­heim.

      Rasch mehrte sich die Zahl der Schülerinnen, so daß die Ursu­linen an den Neubau des Klosters denken konnten. Der Baumeister des hessischen Landgrafen Garniery, der Erbauer der Herkulesanlagen mit dem Park Wilhelmshöhe, der ihnen ebenfalls seine Tochter zur Erzie­hung übergeben hatte, erbot sich, die Pläne auszuarbeiten und konn­te diese auf seiner Romreise Papst Clemens XI. vorlegen, der sie seg­nete und fortan der hohe Gönner des Klosters wurde. Er nahm es in seinem besonderen Schutz und betraute die Kardinäle Fabrony und Sacripante, die er in besonderen Auftrag nach Deutschland sandte, sich des Klosters anzunehmen.

      Am 5. Aug. 1713 wurde der Grundstein zum neuen Kloster gelegt. Beim Bau erwies sich als großmütiger Helfer Fürst­abt Adalbert von Schlei­fras in Fulda, der Erbauer des Ful­daer Domes, dessen Nichte sich unter den Schülerinnen in Fritzlar befand. Er sandte den Ursu­linen seinen eigenen Bau­meister Meinwolf. Am 8. Mai 1719 war der Bau soweit gediehen, daß die Ursulinen mit den Zöglingen Einzug hal­ten konnten.

      Der Klosterbezirk, zu dem ein großer Garten gehörte, wurde von einer festen Mauer umgeben. Die Anlegung des Gartens besorgte der Generalsgarteninspektor des hessischen Land­grafen Wunsdorf, der evangelisch war, aber zwei Töchter den Ursulinen zur Erziehung über­geben hatte. Unter seiner kunstfertigen Anweisung entstand am Ber­ges­hang ein herrlicher Garten mit Terrassen, Lauben und Lauben­gängen, Kaskaden und Springbrunnen, der später das Entzücken der Bettina von Brentano hervorrief, die vier Jahre mit ihren drei Schwe­stern bei den Ursulinen verbrachte und darüber in Briefen an Goethe berichtete. (Sie sind bekannt in der deutschen Literatur unter dem Namen „Goethes Briefwech­sel mit einem Kinde“). Sie schrieb in ihrer romantischen Art: „In den hängenden Gärten der Semiramis bin ich er­zogen worden, ich glattes, braunes, feingegliedertes Reh­eben.“

      In weiterer Folge beschreibt sie dann die Schönheit der Gar­ten­anlage des Fritzlarer Ursulinen-Klosters. Die Tätigkeit der Ursulinen bestand zunächst in der Erzie­hung von Töchtern adeliger Familien, die sich im Pensionat, abgesehen von der französischen Sprache, nur vornehme Le­bensart aneigneten. Aber schon im Jahre 1719 began­nen die Nonnen gleichzeitig mit dem Schulunterricht für die Fritzla­rer Mädchen, wie es früher so schön hieß „de mairenschule“. Gene­rationen von tüchtigen Frauen sind in den vergangenen 260 Jahren aus der Schule des Ursulinen-Klosters hervorge­gangen, trotzdem sie zweimal geschlossen wurde, im Kul­turkampf 1871 und bei den Nazis 1938, steht sie heute wieder in voller Blüte. In diesem Jahr konnten die Ursulinen ihr neues Schulzentrum einweihen, mit einem Fas­sungs­vermögen von ca. 300 Schülern und einem eigenen Hallen­schwimmbad,

      Es ist aber keinesfalls so, daß ein derartiger Schulaufstieg nur im 18. Jahrhundert möglich wäre, auch in unserer Zeit haben die Ursulinen bewiesen, mit ihrer Tochtergründung in Lima _ der Haupt­stadt Perus, ein noch größeres Schulzentrum aus dem Nichts zu er­bauen.

      1935 fuhren zwei Fritzlarer Ursulinerinnen mit kleinem Gepäck und großem Gottvertrauen zwecks Gründung einer neuen Heimstatt für ihr Kloster, falls sie in Deutschland nie mehr Schule halten durf­ten, nach Lima in Peru. Auch in diesem Lande konnten sie die Fa­milien mit ihrem Schulor­den überzeugen, so daß sie schon 1949 ein neues großes Schulzentrum für über 1000 Schüler mit Internats-Klo­ster- und Kollegkirche einweihten. Dabei waren zugegen: der Aposto­lische Nuntius, der Staatspräsident von Peru mit Gemahlin, der Erzbischof von Lima und viele andere hohe Würdenträger des Staates und der Stadt. Man sieht daraus, Ideen und Glauben an einer guten Sache sind noch immer mit Erfolg gekrönt, wobei sich sogar die soge­nannten Großen die­ser Welt mit einspannen lassen.

      Geht man vom Fritzlarer Ursulinen-Kloster die Neustädter ­Straße abwärts, gelangt man zum Winterturm und ehemaligen Wintertor. Der Name ist leider einer Wortsinnverwechselung zum Opfer gefallen, es müßte heißen Winzertor und Winzer­turm. Sie hatten diesen Namen wegen der vinitores = Winzer und 1390 heißt es urkundlich „Wyndor“ oder auf Fritzlarer­ Platt das „Wingertor“. Solange es noch Winzer und Weinberge in Fritzlar gab, war jedem der Sinn des Wortes klar, erst nach­dem7-jährigen Kriege 1763, wo die Weinberge zerstört wurden und in Vergessenheit gerieten, hat später bei der amtlichen Benen­nung das Wort „winger“ zu den Namen „Winter“ geführt, trotzdem es bei seiner Südwestlage keine Winterseite ist

      Das zweite Zugangstor der Neustadt war das Fleckenborntor, welches vom Domplatz her begangen wurde. Es befindet sich, auf halber Höhe der Ziegenbergtreppchen, wo der Fleckenbornweg ab­zweigt. Unterhalb dieses Weges am Amberg war früher der große Flecken­brunnen, der fast die ganze Stadt mit Trinkwasser versorgte und dessen Wasser durch die so­genannte „Wasserkunst“ über den Kump am Domplatz in die Stadt verteilt wurde.

      Heute nutzen die Ursulinen diese ertragreiche Quelle für ihr Heilbad. Aber auch die Stadt hätte die Möglichkeit mit der Quelle am Steingossenturm im Walter'schen Berg ein Hallenbad mit Wasser zu versorgen.

      Damit wäre die Artikelserie über Fritzlars Gassen-und Stras­sennamen beendet. Die Beschreibungen waren mir nur möglich aus dem reichen Geschichtsmaterial unserer Stadt, dabei sind es nicht mal die großen abgeschlossenen Geschichtswerke, sondern die vie­len kleinen Spezialforschungen in den weit verstreuten Auf­sätzen, die uns ein Geschichtsbild übermitteln.

 

H.J. HEER

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 12/05, vom 03. März 1972, S. 1-2 

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN 

In der Ausgabe Nr. 1/1972  HESSISCHER GEBIRGSBOTE, Zeitschrift des Hessisch-Waldeckischen Gebirgs- und Heimatvereins im Verband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine e.V. in Melsungen, erschien der Artikel

DAS HOCHZEITSHAUS IN FRITZLAR UND SEIN MUSEUM

Mit Genehmigung des Verfassers und ersten Vorsitzenden, Herrn Bibl. Oberinspektor Eduard B R A U N S, Kassel, Breitscheid­straße 70, wird dieser Artikel nachstehend im Wortlaut veröffentlicht. Wir finden ihn auch deshalb, sehr interessant, weil die „Ur- und frühgeschichtlichen Sammlungen“ im Museum näher beschrieben worden sind.

      Unter den weltlichen Gebäuden der Kreisstadt Fritzlar fällt außer dem Rathaus besonders das stattliche Hochzeits­haus in der Geismar­gasse, auch „Straße am Hochzeitshaus“ genannt, auf, in welchem sich heute das Museum „Ur- und frühgeschichtliche Sammlungen“ befin­det, dessen Träger der gleichnamige Verein in Fritzlar ist.

      Der einst vom Erzbischof von Mainz der Stadt Fritzlar zur Erbauung des Hochzeitshauses verkaufte Grund und Bo­den bildete mit den darauf stehenden Gebäuden den sogenann­ten Hainer Hof. Die Besitzung war von dem Zisterzienserklostei Haina im 13. Jahr­hundert erworben und mit einem Klostervogt besetzt worden, der die dem Kloster in Fritzlar und Um­gebung durch Kauf und Stiftung zustehende Frucht- und Geld­gefälle vereinnahmte und verrechnete. Häufig stiegen hier der Abt und die Mönche bei ihrem Aufenthalt in der Stadt ab. Des­halb besaß das Haus auch eine Kapelle. Einige Baureste der al­ten Klostervogtei sind in dem Neubau erhalten geblieben.

      In dem Hainer Hof wurde lange Zeit die von dem 1314 verstorbenen Kantor Hermann von Grune mit Zustimmung von Schöffen und Rat der Stadt gemachte Brotstiftung für die Armen ausgeteilt. Er hatte die Verteilung der Spenden den „Brüdern grawen ordens in ihrem hobe gelegen in der statt Fritzlar in der straße, dy da heissit die Geysmar­gasse“ übertra­gen.

      Als das Kloster Haina in der Reformationszeit säkulari­siert wurde und durch den Verzicht des Abts Johann Falcken­berg mit anderen Hai­naer Gütern auch der Hainer Hof in Fritz­lar an den Landgrafen Philipp gefallen war, trat er diesen mit den zugehörigen Ländereien an die junge Universität Marburg ab. Später überließ er den Hof, jedoch ohne die Güter, wieder dem Erzbischof von Mainz, welcher denselben 1578 an die Stadt Fritzlar verkaufte. Er knüpfte daran die Bedingung, daß diese das baufällig gewordene Gebäude abbrechen und ein neues errichten mußte.

      Es sollte lediglich zur Feier bürgerlicher Feste, z. B. der Hochzeiten und Kindtaufen, dienen. In einem Memorialbuch der Stadt Fritzlar erfährt man folgende Nachricht, die 1681 im Knopf auf dem Giebel des Hochzeitshauses bei der Repara­tur des Daches gefunden worden sein soll: „1578 die 4. Au­gusti hat der hochwürdigst fürst herr Daniel Erzbischof zu Maintz diesen hof und baufällige behausung zur erbauung eines Hochzeitshauses bürgermeister, rath und gemeinde dieser stadt Fritzlar gnädigst und umb vierhundert gulten batzen erb­lich zukommen lassen. Welche behausung folgender jahr - achtzig und achtzig ein - neue erbaut und daran gewendet bis daß mans ins tach und leimen bracht ahn die dreytausend dreyhundert thlr.;  jeder thlr. zu 31 alb. Gerechnet“. Schließ­lich heißt es in der Quelle noch: „Johannes Ost­hei­mius scriba civitatis Fridslarie juratus scripsit Non. 7 bris (5. Septem­ber) anno post christum natum 1581“, wodurch festgestellt wird, daß der Neubau in zwei Jahren vollendet war.

      Der große, sehr geräumige Bau hatte sein eigenes Haus­gerät, feines Leinenzeug und ein reiches Inventar an Zinn-, Kupfer- und anderem Küchengeschirr. Jedes Ehepaar, das sei­ne (nach alter Weise dreitägige) Hochzeit oder die Taufe seiner Kinder feierte, mußte für die Benutzung des Hauses ein Ge­schenk an Geld oder Leinen geben. Dies wurde durch eine „Hochzeitsordnung des Raths zu Fritzlar wegen der Hochzei­ten auf dem Hochzeitshause“ bestimmt. Jedes Hochzeitspaar erhielt für seine gestiftete Gabe das Recht, das übriggebliebene Bier, das für seine Feier gebraut worden war, im Hochzeitshaus „verkäuflich zu verzapfen“. Im Jahre. 1662 mußte das Haus repariert werden, 1681 folgte eine Erneuerung des Daches. Im Siebenjährigen Kriege diente es als Militärlazarett; damals ging das ganze Inventar verloren. Dann wurde das Gebäude so bau­fällig, daß man es nur noch als Holz- und Fruchtmagazin benutzen konnte. 1827 wurde es nach Wiederher­stellung von der Stadt „zur Menage für das Kurhessische erste Husarenregiment“ eingerichtet und von 1851 bis 1863 als Rathaus, nebenbei als Kriminalgerichtslokal, benutzt. Im Jahre 1903 ging man aber daran, das Haus für städtische Schulzwecke zu verändern. Bei den Umbauarbeiten fand man (1904) gotische Türgewände in den Mauern und auch Eckblattbasen von zwei romanischen Säulen. Die nordöstliche Ecke des steinernen Unterstocks zeig­te übereinander zwei mit rippenlosen Kreuzgewölben überdeck­te quadratische Gelasse, die ihrer Fensterarchitektur nach dem älteren Bau angehörten. Der heutige Fachwerkbau in reicher Renaissance, der vor 100 Jahren noch verputzt war, ist mit kräftig gezeichneten Gesimsen ausgestattet und besitzt ein stei­nernes Erdgeschoß. An der südlichen Giebelseite befindet sich ein zweigeschossiger Holzerker, an der Westseite ein Treppen­hausvorbau mit ornamentiertem Portal. Letzteres wurde 1590 von dem Kasseler Bildhauer und Bildschnitzer Andreas Herber geschaf­fen und 1971 von dem Bildhauer Horst Jaritz (Löhl­bach) erneuert. Da die Ornamente und Figuren durch Witte­rungseinflüsse sehr gelitten hatten, mußten die Profile des Por­tals, der Fries und andere Teile re­stau­riert sowie die Kartuschen und Ornamente ergänzt werden. Das Hochzeitshaus enthielt im Erd- und ersten Obergeschoß ehemals je einen großen Saal mit Balkendecke auf vier mächtigen Holzstützen. Während der Saal im Erdgeschoß größtenteils erhalten ist, sind beide Stock­werke heute in Zimmer aufgeteilt.

      Als nach dem letzten Kriege unter der Leitung von Lud­wig Köhler in Fritzlar die Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte gegründet wurde, wies man ihr zur Einrichtung eines Heimatmuseums zunächst einen Teil des historischen Hochzeitshauses zu. Nach der Beseitigung von Witterungsschä­den in den oberen Geschossen des schönen alten Baues, für dessen Erhaltung die Stadtverwaltung seit 1954 Mittel bereit­stellt, konnten die „Ur- und frühgeschichtlichen Sammlungen“ 1956 eingerichtet werden. „Ziel des Museums ist es, ein mög­lichst lückenloses Bild von der Besiedlung, den Kulturen, der Bevölkerung, der Volkskunst, von Handwerk, Handel und Ge­werbe im Gebiet des Kreises Fritzlar-Homberg - mit dem Schwerpunkt Geschichte der Stadt Fritzlar im historischen Teil - zu geben“. So beurteilten die Gründer ihre Aufgabe.

      Schon vor Beginn der 1967 erfolgten Einrichtung der hi­storisch-volkskundlichen Abteilung und der Geologie wurden von der Mu­seums­leitung bestimmte Schwerpunkte gesetzt, um sich von anderen Heimatmuseen zu unterscheiden. Im Erdge­schoß des Hauses befindet sich das Vorgeschichtsmuseum, das seit Jahren einen guten Namen hat und Werkzeuge aus allen Ab­schnitten der Jungsteinzeit, Keramik und Werkzeuge von neo­lithischen Höhensiedlungen sowie Funde aus der Bronzezeit, der Eisenzeit, aus der römischen Kaiserzeit, der mero­wingisch-­karolingischen Zeit, frühmittelalterliche Keramik usw. besitzt.

      Der volkskundliche Teil des Heimatmuseums hat im er­sten Stock Platz gefunden. Er enthält u. a. eine größere Truhen­sammlung, Schrän­ke, Bauernmöbel, bäuerliches Gerät, eine be­sondere Samm­lung „Spinnen und Weben“ und eine Sammlung von gußeisernen Etagenöfen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Ferner sieht der Be­sucher Feuerwaffen, Hausgerät, Geschirr. Fritzlarer Steinzeug und eine umfangreiche Sammlung von Dach­ziegeln mit Inschriften, Jahres­zahlen, Signaturen und figürli­chen Darstellungen. Einen eindrucks­vollen Überblick über die geologische Struktur des Kreises gewährt die erdgeschichtliche und naturkundliche Abteilung, die die Funde in den größeren Zusammenhang stellt. Hierzu gehören Fossilien und Fähr­ten­­platten aus dem Perm. Schließlich umfaßt das Museum Dinge aus der Kulturgeschichte der Stadt Fritzlar und der dörflichen Umgebung.

Bis zur 1250-Jahrfeier der Kreisstadt im Jahre 1974 soll das Heimat­museum im Hochzeitshaus komplett eingerichtet sein. Dazu sind noch umfangreiche Arbeiten im zweiten Oberge­schoß notwendig.

H.J.Heer

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 39/06, vom 22. September 1972, S. 1-2.4 

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN

Quellen und Brunnen im alten Fritzlar von H. J. Heer

Eines der wichtigsten Stoffe zum Leben für Menschen, Tiere und Pflanzen ist das Wasser. Darum waren zu allen Zeiten Quellen und Brunnen Orte der Verehrung, so daß man von einem regelrechten Quellenkult bei allen Völ­kern in der Vergan­genheit sprechen kann. 

      Die Höhe von Fritzlar mit ihrem lieblichen Edertal war reich an solchen Quellen. Aus diesem Grunde siedelten sich nach der Fällung der Donareiche am heutigen Dom­platz und der Christianisierung der Chatten die Bewohner der mero­wingischen Stadt Büraberg freiwillig auf dieser südlichen Höhe an, da hier die Agrar- und Wasserverhält­nisse bes­se­re Lebensbedingungen brachten.

"Der Kump"

      Msgr. Dr; Jestädt befaßte sich in einem wissenschaftlichen Aufsatz mit den drei heiligen Quellen aus chattischer Vor­zeit (Hessenland, Heft 5, 1925), Er schreibt u, a, wie folgt: „Am Südabhang der Höhe, auf der sich Fritzlar und sein Dom erhebt, entspringen drei Quellen. Zunächst im Kloster­garten der Ursulinen die „Hetze“ (Lazzenborn, Leezige), öst­lich davon der „Riegelbrunnen“ (regilbrunnen), westlich der „Fleckenbrunnen“, Im Mittelalter hieß die Hetze „Bonifatius­born“, 1239 stand dabei eine Bonifatiuskapelle“. Nach Auffassung der christlichen Missionare waren die heid­nischen Götter Teufel, ihr Kult Teufelskult und ihre Stätten Teu­fels­stätten, Darum sagte schon Gregor der Große in seiner berühm­ten Missionsanweisung vom Jahre 601: „Sie sollen nicht mehr dem Teufel Tiere opfern“ und das Kapi­tulare von, 785 belegt den in Artikel 9 mit schwerer Strafe, der „einen Menschen dem Teufel opfert und ihn nach heid­nischer Sitte den bösen Geistern als Opfer darbringt“. Um nun die Erinnerung an die Teufelsverehrung vollständig auszulöschen, vernichteten die Glaubensboten nach der­selben päpstlichen Anweisung die zahlreichen heiligen Götterbäume, errichteten an ihrer Stelle christ­li­c­he Heilig­tümer und gaben ihnen christliche Namen. Heilige Quellen konnten sie jedoch nicht vernichten. Deshalb tauften sie sie um und gaben ihnen christliche Namen. Überall sollte der neue christliche Name die Erinnerung an die alten Götter und Götterstätten auslöschen.

      Daß die Quelle am Südabhang des Fritzlarer Domberges, der Haz­zen­born, „Bonifatiusquelle“ genannt wurde, läßt die Vermutung zu, daß es sich hier vielleicht um eine chattische heilige Quelle handeln kann. Da sie überdies unmittelbar unter der Domhöhe in der Mitte zwischen den beiden anderen Quellen liegt, dazu noch durch eine eigene Boni­fatiuskapelle betont wird, dürfte diese unter den drei Quellen vielleicht als heilige und deshalb bevorzugteste Quelle gegolten haben. Auch die Quellen rechts und links vom Bonifatiusborn haben Teufelsnamen, nämlich „Flecken­brunnen“ und „Riegelbrunnen“. Was ersteren angeht, ist dieser unter den drei Quellen am Südhang der Domhöhe durch eine besondere Sage ausgezeichnet - die Fleckenssage. Sie gilt als Beweis für das hohe Alter des Brunnens und sei­nes Namens, Sie erzählt, daß in heidnischer Vorzeit hier an diesem Brunnen ein heidnischer Riese mit Namen „Flecke“ der, nach Opfern gierig, Menschen, die sich durstig der Quelle nahten, verschlang. Als aber das Christentum ins Land kam, ließ er sich bekehren, in seiner Quelle taufen und führte fortan ein Leben als frommer Eremit. Hinter dem unmythologisch klingenden Namen „Flecke“, verbirgt sich ein Teufelsname, nämlich „Fliege“, der nach Grimms Mythologie dem Teufel beigelegt wurde. Wenn man bedenkt, daß die hessischen Missionare Angelsachsen waren und daß im Angelsächsischen Fliege „fléoge“ heißt, so hätte der Brunnen von den angelsächsischen Glaubensboten den Namen „fleogebrunno“ erhalten, der sich im Laufe der Zeit zum „Fleckenbrunnen“ abwandelte, Fliege ist aber ein uralter Teufelsname, nichts anderes als die Übersetzung von „Baal“ und Beelzebub; Beelzebub heißt „Fliegenbaal“. Diese Deutung des Fleckenbrunnens als Teufelsbrunnen, Götter­brunnen, wird noch durch den Namen der dritten Quelle, „Riegelbrunnen“ (regilbrunnen) gestützt, der östlich der Hetze liegt. Ein mittelalterlicher Befestigungs­turm trägt von der Quelle den Namen „Riegelturm“. Riegel ist aber ähnlich wie Fliege nach Grimms Mythologie ein Name für Teufel. Demnach dürfte auch der Riegelbrunnen als Teufels­brunnen oder Götterbrunnen zu deuten sein. Nun bleibt noch festzustellen, welcher Götterdreiheit diese drei heiligen Quellen wohl geweiht waren. Für den Riegel­brunnen findet sich ein Anhaltspunkt im Flurnamen „Riegel­graben“, der östlich vom nahen Dorf Zennern in der Nähe der alten Wodanstätte Udenborn verläuft. Gräben, Hohlwege und Schluchten waren bei den Germanen mit Vorliebe Kultstätten. Der Riegelgraben, Teufels- oder Göttergraben dürfte somit als Wodansgraben anzuspre­chen sein. Demnach wäre der Fritzlarer Riegelbrunnen dem Gott Wodan geheiligt, der Fleckenbrunnen, der nach der Volks­sage auch Fritzlars Kinderbrunnen ist, der Menschenmutter Freia geweiht. Der Riese Flecke, der darin hausen sollte, wäre dann kein anderer als Freias Gemahl Ziu gewesen. Als dritter Brunnen verbleibt der Hazze-Bonitatiusquell, der dann als der Donarquell zu deuten wäre. Dem Gott Donar waren nämlich nicht nur Höhen und Bäume, sondern auch Quellen heilig.

      Die germanische Götterdreiheit Ziu, Donar und Wodan hätte dann int. den drei heiligen Quellen unter Hervor­hebung der mittleren Donarquelle am Südhang der Dom­höhe - die Germanen orientierten ihre Kultstätten gern nach Süden - eine Kultstätte gehabt. Interes­sant ist der Vergleich der Fritzlarer Anlage mit den drei Quellen am Südabhang mit der Anlage der Irmin­sul, dem Nationalheiligtum der Sachsen. Nach Feststellung des Forschers Kuhlmann besteht wohl kein Zweifel daran, daß die Irminsul, ein Baumstamm von mächtiger Größe, auf dem Eresberg an der Stätte des heutigen Obermarsberges an der Diemel stand. Auch hier sind, wie in Fritzlar, am Abhang der heiligen Höhe drei Quellen vorhanden. Man wird dabei auch unwill­kür­lich an die heilige Weltesche Yggdrasils asker erinnert, unter deren Schatten drei heilige Quellen entsprangen. (Weltesche ist in der altnordischen Sage der himmeltragende Weltenbaum Yggdrasil, der mit seinen Wurzeln in die Reiche der Götter, Riesen und Toten reicht).

      Soweit ein Auszug aus der umfangreichen mythologischen ortsge­schichtlichen Forschung von Dechant Jestädt. Er selbst konnte sich nicht ganz zu der Tatsache durchringen, daß das Heiligtum der Chat­ten am Fritzlarer Domplatz stand. Dafür spricht sich aber heute der größte Teil der zuständigen Fachwissenschaftler aus. Hierdurch ergibt sich die Erklärung für den Standort des heutigen Doms. Die Stelle der Donareiche bot keinen idealen Baugrund für ein derart großes Bauwerk; die Höhe am Rathaus hätte sich weit besser geeignet. Die Fritzlarer Donareiche hatte nicht nur für ihre Zeit religiöse Bedeutung, sondern ihr Platz war auch eine der großen Dingstätten aus germa­nischer Zeit. Man hatte diesbezüglich feste Vorstellungen wie eine Ding­stätte beschaffen sein mußte. So gehörte zu ihr nicht nur der Götterbaum, sondern auch eine heilige sprudelnde Quelle. Falcken­heiner schreibt darüber 1841 in seinem Buch „Ge­schichte Fritzlars“ folgendes: „Das ältere mallum (Gerichts- ­und Dingstätte) in Fritzlar lag bei der Stiftskirche. Um den Richtern und der versammelten Menge Schutz gegen Regen, Schnee und Sonnenbrand zu gewähren, war es mit einem Bretterdach (testudo) überdeckt, nach den Seiten hin aber wahrscheinlich, wie alle ähnlichen Plätze, von bedeckten Gängen umgeben. Es hieß daher Halle (atrium). Selbst der den Hallen nie fehlende Quell oder Brunnen war auf dem Fritzlar´schen Gerichtsplatz vorhanden und wurde erst im vorigen Jahrhundert zugeworfen; das ist mehrmals urkund­lich nachgewiesen. Auf der Fritzlarer Dingstätte wurde in der früheren deutschen Vergangenheit nicht nur Orts- und Landesgeschichte gemacht, sondern die Dingstätte diente auch für die Reichs- und Weltgeschichte als Bühne. Eine Urkunde aus dem Jahre 1368 überliefert uns einen „Heiligenbornweg“ unterhalb der Äcker am Hellen; man könnte sich ihn etwa in der Gegend am alten Geismarrain vorstellen, wo noch heute mehrere Quellen zutage treten. All diese Anhäufung von kultischen Quellenhinweisen run­det das Bild der chattischen Kultstätte auf der Höhe von Fritzlar ab, Wahrscheinlich war dieses Höhenplateau weniger besiedelt, weil die vermeintlich dort wohnenden Götter als furchterregend galten.

Die Bewohner siedelten sich mehr rings um den Berg an, wobei die größere Anzahl wahrscheinlich an der Südwestseite in Geismar ihre Häu­­ser hatte.

       Die Bodenforschung hat in den letzten Jahren bei Frau-Mün­ster auch eine größere Urnengräbersiedlung feststellen kön­nen: Hieraus erklärt es sich möglicherweise, warum Geismar schon so früh in der Ge­schichtsschreibung erwähnt wird. In späteren Jahren zogen die Be­wohner von Geismar einmal jährlich mit einem Baum zum Domplatz, um die Erinne­rung an die Fällung der Donareiche zu feiern.

       Das Gebiet um das Höhenplateau muß stark bevölkert gewe­sen sein; denn auch für Missionare des 8. Jahrhunderts lohnte sich nur eine Missionierung größeren Stils, wo Mittelpunkte von Siedlungsge­bieten waren. Mit der Christianisierung war die heidnische Geisterwelt gebannt und so entwickelte sich die Stätte des Friedens = Fritzlar schnell zur Landeshauptstadt von Niederhessen.

Fortsetzung folgt

Wochenspiegel Nr. 40/06, vom 29. September 1972, S. 1-2 

UNSERE STADT IN DER WIR LEBEN
FORTSETZUNG

Quellen und Brunnen im alten Fritzlar

von  H. J. HEER

Fritzlar galt schon um 1300 mit 2.000 bis 3.000 Einwohnern als dicht besiedelt und war für die Wasserversorgung von großer Bedeutung, die durch die zahlreichen Brunnen ge­währleistet war.

      Folgende Brunnen lassen sich noch heute urkundlich nach­weisen: Am Marktplatz befand sich vor der heutigen „Spit­ze“ der Guntramsbronn, ferner der Rolandsbrunnen, welcher gleichzeitig als Rechtswahrzeichen galt und der untere Marktbrunnen, etwa da, wo heute die Verkehrsinsel ange­legt ist. Am Hochzeitshaus, vor der Mauer nach Orth zu, befand sich der nächste Brunnen.

      Beim Haddamartor/Ecke Hardehäuser Hof und Schuhhaus Bade war ein weiterer Brunnen vorhanden. Der Jordansbrun­nen, auch Jüdenborn genannt, befand sich da, wo heute  der Baum am Jordan steht. Bei der Nikolauskirche, am heu­tigen Posthof, waren gleich zwei Brunnen vorhanden, wie sich bei den letzten Bauarbeiten feststellen ließ. 

Über einen weiteren Brunnen verfügte Fritzlar in dsr Flehmengasse beim Deutschordenshof, etwa bei der jetzigen zweiten Ausfahrt der Großhandlung Schmitt & Durstewitz. Das Viertel um die Fraumünster-straße bezog ihr Wasser von dem Riegelbrunnen, dessen gotisches Tor noch neben dem Wohnhaus Buchenhorst in der Riegelgasse erhalten ist. Die Neustadt versorgte sich hauptsächlich mit Wasser aus dem Fleckenbrunnen, dessen großer steinerne Trog an der Mauer des Amberges, gegen­über der heutigen Klosterschenke, stand. Das Quellwasser des Stein­gossen- und Haz-zenborns  (Bonifatius­brun­nen) war mehr dem Stiftsherren- und Bürger­bad vorbehalten. Die Bürger­badstube befand sich im Hause Arend bei den Treppen zum Bleichentor, das Stiftsherren­bad lag in dem rechts abbie­genden Gäßchen, etwa in der Nähe der neuen Ursulinen­schule, die heute das Quell­wasser für ihr Hallenbad nutzt.

      Eine Urkunde vom 12. Okt. 1454 gibt uns Einblick in die Badstube der Stiftsherren. Sie lautet: „Peter Badstuber und seine Frau verpflichten sich, den Kanonikern eine reinli­che Kammer und Stube im Badhaus zu halten, ihnen da­mit zu dienen und den in die Badstube geleiteten Wasser­gang instandzuhalten. Die Kanoniker haben Peter einen guten Badkessel und 3 Was­sersteine überlassen, die er ersetzen soll, wenn sie abgenutzt oder zerbrochen sind.“ (Wahrscheinlich handelt es sich um Steine, die für das Dampf­bad erhitzt wurden). Am Domplatz befand sich der schon erwähnte Gerichtsbrun­nen sowie mehrere Hausbrunnen in den ehemaligen Stiftsku­rien, in der Dechanei und der alten Küsterei. Der Burgbrun­nen des Erzbischofs lag auf dem Gelände von St. Wigbert.

      Um aber den immer größer werdenden Wasserbedarf zu dec­ken, sah sich die Stadt schon früh veranlaßt, eine zusätzli­che Wasseran­lage zu schaffen. FALCKENHEINER schreibt 1841 darüber: „Die vielfach erwähnte Wasserkunst, durch wel­che die Altstadt Fritzlar hauptsächlich mit Flußwasser versorgt wird, reicht bis in das 14. Jahrhundert zurück. 1609 legte sie der Stadtrat „unter das St. Catharinenkloster“ (heute Ursuli­nen) und erlangte von dem Stift die Erlaubnis, das Wasser der Steingosse hierzu verwenden zu dürfen. Späterhin finden wir sie unter dem Dach der inzwischen städtisch gewordenen Mönchmühle angebracht, deren Besitzer auch noch jetzt im­mer dieses Servitut zu tragen hat. Dieses Kunstwerk treibt das Was­ser in eisernen Röhren den Mühlenberg und Amberg hinauf bis zum großen Kump vor der Stiftskirche. Hier teilte sich ihr Gang ehemals in zwei Arme, von denen einer über den oberen Friedhof an der Johanniskirche hin in die Küche des Hochzeitshauses lief, während der andere durch die Krämen in das obere Brauhaus abzweigte, sodann das Wasserbecken auf dem Markt (Rolandsbrunnen) ver­sorgte, weiter durch die Wer­kelgasse in das untere Brauhaus führte und hier, an seinem Ende, am Klobesplatz, das ihm auf dem weiten Weg noch ver­bliebene Wasser zu jedermanns freiem Gebrauch ausgoß“.

      Zu den jährlichen Festen und Bräuchen in der Vergangenheit gehörten die Brunnenfeste, denen die Reinigung vorausging und mit Umtrunk und Tanz gefeiert wurde. Diese Brunnen­feste, sogenannte Brunnenzechen, lassen sich seit dem Jahre 1683 nachweisen. Sie wurden zweimal im Jahr, und zwar am 2. Pfingsttag und am St. Johannistag (24. Juni) begangen. LANDAU, der 1859 die Sitten und Bräuche in Hessen aufzeich­nete, schrieb u. a. über die Brunnenzechen von Eschwege, Treysa und Fulda - in Fritzlar wird die Durchführung wahr­scheinlich nicht anders gewesen sein - folgendes: „Am St. Johannistag finden auch die Brunnenzechen statt. Die zu einem Brun­nen gehörige Nachbarschaft schmückt diesen mit Blumenkrän­zen und Laub und wählt dann einen Brunnenherrn, dem die Wahl durch Zusendung eines Blumenstraußes verkün­det wird. Die Kinder ziehen in einer Prozession zu seinem Hause und pflanzen vor demsel­ben grünen Maien auf, während der Brunnenherr sich aufmachte, um von Haus zu Haus Gaben zu sammeln, von denen die Kosten der Brunnenzeche, die einige Tage später gehalten wird, bestritten wer­den. Am Abend vor der Brunnenzeche spielt die Musik vor den Türen und am Nachmittag des Festes versammeln sich die benach­barten Frauen bei der Brunnenfrau zum Kaffee und ziehen nach dessen Genuß, begleitet von der jubelnden Jugend, zum Saal, in dem die „Zeche“ stattfindet, die in einem gemeinsamen Mahl und Tanz besteht“.

      Wie wir auf der Marktplatzzeichnung im Schnee aus dem 19. Jahrhundert ersehen, wurde auch in Fritzlar der Rolands­brunnen mit einem Blütenkranz geschmückt, und jung und alt haben sich an dem Brunnenfest erfreut. Darum kann man un­seren Heimatdichter Rektor Heinrich WINTER verstehen, daß er, als im Jahre 1898 die Wasser­leitung gebaut wurde, in sei­nem Gedicht „Die alle Zitt“ (alte Zeit) wehmütig eine Strophe schrieb, die da lautete: 

 

„Gebumpet wurde's Wasser noch, 

un's Geld war noch im Husse; 

jetzt zapt derheime mancher, doch 

de Heller bumpen musse. 

Un wie de Wasserlitung kam,

der Anton+) sinnen Abschied nahm,

O jerum, jerum jeite, de ahle Zitt is pleite“.

 

+) Anton war der Eckensteher, der sich mit Wassertragen ein paar Pfennige verdiente.

 

(Schluß)

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 41/06, vom 06. Oktober 1972, S. 1-2 

UNSERE STADT, IN DER WIR LEBEN

Das Chorherrenstift St. Peter zu Fritzlar, eine Stätte des geistigen Lebens im mittelalterlichen Hessen I.

Aus der von Bonifatius gegründeten und Abt Wigbert geführ­ten bene­dik­tinischen Klosterschule des 8. Jahrhunderts entwickelte sich etwa nach 1000 eine Hochschule mit akade­mischen Studienfächern. Bei der Umwandlung des Fritzlarer Benediktinerklosters in ein adliges Chorher­ren­stift um die Jahrtausendwende, war eine der wichtigsten Einrich­tungen die Führung einer eigenen Stiftsschule.

      An ihrer Spitze stand der Scholaster (scholaster, scholadi­cus), der im Range der zweithöchste unter den 3 Prälaten des Fritzlarer Stifts war. Die Bezeichnung des Scholasters als „magister scholarum“ (schon 1190), die des Rektor: als „rector scholarum“ (1314) beweist, daß es da­mals nicht bloß eine Schule in Fritzlar gegeben hat, sondern daß außer der internen Stiftsschule auch noch eine externe Stadtschule vom Stift unterhalten wurde.

      Gelehrt wurde an der Fritzlarer Stiftsschule Sprachen, Theo­logie, Jurisprudenz und die schönen Künste wie: Musik, Dichtung, Buch­schreib- und Malerei sowie Goldschmiede­kunst.

      Es spricht für den hohen Stand der Schule, wenn sich Land­graf Hermann von Thüringen und Herr von Hessen (1190 - 1216), der Gön­ner und Freund der schönen Dichtung, aus Fritzlar einen gelehrten Schüler erbat, um sich von ihm eine Bearbeitung des Trojanerkrieges in deutschen Versen liefern zu lassen. Herbort von Fritzlar hat diesen ehrenvol­len Auftrag in 18 458 Versen gedichtet.

      Weiterhin ist urkundlich nachweisbar, daß schon 1290 die Uni­versitäten Paris und Bologna ausdrücklich als akademi­sche Fortbil­dungs­stätten der Fritzlarer Scholaren bezeichnet werden. Zum Stift und seiner Schule gehörte eine berühmte Handschriften-Bibliothek, die durch einen eignen Bibliothe­kar und Buchbinder (negociator librorum) im Stand gehalten wurde. Ein Beschluß v. J. 1387 verfügte regelmäßige jähr­liche Revisionen der Stiftsbibliothek durch gewissenhafte und er­prob­te Personen der Stiftskirche. Sorgfältig sollte von ihnen die Büche­rei nach Zustand, Wert und Zahl der darin oder an anderen Stellen frei oder angekettet befindlichen Bücher geprüft werden. Das vorhandene Handschriftenma­terial ging in die Tausende, welche kostbaren Bände das Stift früher besaß, beweisen die noch heute erhaltenen be­sonders kunstvollen 48 Bände im Schloß Pommersfelden bei Bamberg und die in der Landesbibliothek in Kassel mit über Hundert Bänden, deren Werte mehrere Millionen überstei­gen.

      Der damalige Bibliothekar und Stiftsscholaster von Speck­mann schreibt 1742: „bey einer Kurfürstlichen Commission Churfürst Lothar Franz von Schönbom, Erzbischof von Mainz, sehr schöne Manuscripte in Pergament sich ausgebeten und von dem Stift empfangen, sind aber noch 200 übrig.“ An anderer Stelle schreibt Speckmann vom gleichen Jahre: „Ist das Obergebäude der Stiftsbibliothek ober dem Kreuz­gang verfallen und durch die Bunnengefach sind zwey Wa­gen voll Bücher inbrauchbar hinweggeworfen worden.“ Den größten Verlust erlebte Fritzlar bei der Säkularisation 1803 wo das Stift aufgelöst wurde und das gesamte Vermögen an den Landgrafen von Hessen-Kassel fiel, hier­bei gingen ganze Wagenladungen von Handschriften und gedruckten Bänden in die Bibliotheken nach Kassel. Ob nun dieselben Fritzlar erhalten geblieben wären, in den Stürmen der letzten 170 Jahren, kann man nicht mit Sicher­heit sagen, wenigstens sind sie nach der Ab­setzung der hes­sischen Landgrafen in den Besitz des Landes Hessen gekom­men und stehen heute der Forschung offen. Die deutsche For­schungs­gemeinschaft stellte z. B. 1960 für Kassel 56.000,-- DM zur Verfügung um diese Handschriften zu katalogisieren, dessen erster gedruckter Band 1969 unter den Titel erschien: „Die Handschriften der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek Band 2, MANUSCRIPTE IURIDICA“. Bearbeitet von Marita Kremer, her­aus­gegeben von Dr. Ludwig Denecke, 1969, Verlag: Otto Harrassowitz, Wiesbaden.

      Frau Kremer bedankt sich für die Mitarbeit von 14 Professoren und 16 Doktoren aus dem In- und Ausland und schreibt un­ter anderem in ihren Vorwort: „Die `Manuscripta iuridica´ nach der Einteilung des al­ten handschriftlichen Katalogs umfassen 149 Handschriften und Frag­men­te aus dem Römischen, dem Kanonischen, dem Zivil- und Völker­recht, darunter auch einiges, was man heute nicht unbedingt als juri­stisch bezeichnen wurde Den wichtigsten Teil der Sammlung bilden die Codices und Fragmente aus der Bibliothek des Domstifts St. Peter in Fritzlar, die mit 54 mittelalterlichen Stücken ein sehr aufschlußreiches Bild von dem Zustandekommen und den Gehalt einer solchen Dom­bibliothek zu geben vermögen.“

      Von den 149 Handschriften vom 9. bis zum 19. Jahrhundert, bilden die 54 Bände aus Fritzlar ca. 90 % aller wertvollen mittelalterlichen Schriften vom 9. bis zum 15. Jahrhundert, welche zum größten Teil auf Pergament und mit kostbaren Initialen (mit farbigen Bildwiedergaben aus dem Gerichtsle­ben) ausgeschmückt sind. Diese Bände hatten auch zu ihrer Entstehungszeit großen Wert, welches die Kettenhalterungen an den Büchern beweisen, die sie vor Diebstahl schützen soll­te. Es handelt sich bei den Bänden um ganze Handschriften­pakete bis zu 600 Seiten, aus denen man außer juristischem auch viel Geschichtliches und sogar berühmte Reimdichtungen des Mittelalters finden kann.

      Aus dieser Stiftsschule hervorgegangene Stiftsherren finden sich, wie ein Blick in die Register der meisten Urkundenwer­ke lehrt, weit über die Grenzen des Archidiakonatsbezirks Fritzlar hinaus als „notarii“ und „scriptores“ (Notar und Schreiber) oder hohe geistliche Würden­träger in Mainz, Aschaffenburg, Paderborn, Minden, Hildesheim, Osna­brück, Halberstadt, Erfurt, Magdeburg, ja in allen größeren Orten Nord­deutschlands wie auch als Kurialen zu Avignon und Rom.   

                                                                                                                                                                                                                                      von H. J. Heer

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 48/06, vom 24. November 1972, S. 1-2 

UNSERE STADT, IN DER WIR LEBEN

Das Chorherrenstift St. Peter, zu Fritzlar , eine Stätte des geistigen Lebens im mittelalterlichen Hessen II.

Bis zur Reformation wurden ferner viele Kanoniker von den damaligen Fürsten als Kanzler herangezogen. 1194 nennt Erzbischof Siegfried von Mainz den Kan. Hermanus von Fritzlar als Notar, 1196 - 1207 wird Ade­­leldus aus Fritzlar als solchen genannt. Eckerardus von Momberg wurde 1248 Propst und Archidiakon des St. Peterstiftes in Fritzlar, er führte im Verein mit Konrad v. Elben und Werner v. Löwen­stein im Auf­trage des Markgrafen Heinrich v. Meißen die vormundschaftliche Re­gierung für den minderjährigen Hein­rich v. Brabant, das Kind von Hes­sen der spätere Landgraf. 1246 - 47 war der Fritzlarer Propst Bur­kar­dus von Ziegen­hain Kanzler Heinrich Raspes der Schwager der Hl. Elisa­beth von Thüringen. Auch sein Nachfolger, Wilhelm von Holland´s Kanzler, war Wilhelmus de Frieslarfa.

      1279 wird Henricus de Anreff can. fritl. Kanzler des Land­grafen Hein­rich von Hessen. 1354 war Bertram v. Wolfshain can. fritl. protno­tarius des Landgrafen. 1377 ist Heiden­rikus von Fritzlar notarius von Adolphi I., Tilmann Hollauch, ein Fritzlarer Altarist, war 1413 - 58 Kanzler des Landgra­fen Ludwig I. Unter den Räten dieses Landgrafen waren Dietrich v. Uffeln can. fritl. sowie die Altaristen Joh. Torlan und Joh. Morsen sind seine Räte. 1419 ist Volpert Regis de Fridslaria Notar und Schreiber des Mainzer Stuhles. 1434 war Joh. Kirchhain, später Dekan des St. Peterstiftes, „Kammerschreiber“ des Erzbischofs. 1465 war Conrad Balke can. fritl. landgräflicher Kanzler. 1465 war Dr. Joh. Herdeyn aus Fritzlar „Heimlicher Rat“ des Landgrafen Her­mann, 1479 Dr. Joh. Menche, scolast. fritl. Notar und Rat des Landgrafen Heinrich, 1483 wurde er als prepositus fritl. Kanzler Landgraf Hermanns zu Hes-sen, Erzbischof von Köln.

      Die Fritzlarer Stiftsschule mit ihren bedeutenden Juristen war si­cher­lich der Anlaß für „das Landfriedensgericht“, ein Bündnis, wel­ches in Fritzlar gegründet und wiederholt dort tagte. Um den fortwäh­renden Räubereien, Wegelagerungen und Plünderungen, Gewalttätig­keiten usw., die zu einer wahren Landplage geworden waren, ein Ende zu machen, traten eine Anzahl Fürsten zu Bündnissen zusammen, welche den Zweck hatten, diese Ausschreitungen zu unterdrücken und vor­kommende Streitigkeiten durch Landrichter zu schlich­ten.

      So schlossen Erzbischof Gerlach und Landgraf Heinrich 1. 1254 ei­nen solchen Landfrieden. Ihre Landrichter traten z. B. 1266, den 3. Mai in Fritzlar zusammen, um Mei­nungsverschiedenheiten zu schlichten. Nachdem nochmals 1273 bei Fritzlar zwischen Erzbischof und Land­grafen neue Vereinbarungen getroffen waren, traten 1293, weil die Ver­hält­nisse inzwischen wieder unerträglich geworden wa­ren, die Städte Fritzlar, Naumburg, Hofgeismar, Wolfha­gen, Warburg, Marsberg und Höxter zu einem Landfriedens­bunde zusammen. 1361 und 1370 finden wieder Vereini­gungen zwischen den beiderseitigen Landesherren in Fritz­lar statt. Jetzt treten auch benachbarte Fürsten dem Bunde bei. Am 12. März 1385 verbünden sich Erzbischof Adolf, Herzog Otto von Braunschweig, die Grafen von Waldeck und Ziegenhain und viele Ritter und Knappen. Zur Leitung der Geschäfte sollen der Erzbischof drei, das Land Westfa­len drei, das Land Sachsen drei und die Lande zu Hessen und in der Buchenau (Fulda) drei Abgeordnete wählen, „und wann die gekorne also alle zusamen ryden wurden, daz solde gescheen gein friczlar“ (aus Braunschw. Urkb. VI p. 123). 1393 traten dem Bunde die Bischöfe von Pader­born, der Landgraf Balthasar von Thüringen und Markgraf zu Meißen, sowie Landgraf Hermann von Hes­sen bei.

      „Auch sind wir fursten überkomen, waz das wir alle jare eyns czu­sa­men komen sollen czu Friczlar mit namen uff den suntag nach mit­fa­sten, und dazu überkomen, waz nucze gut sie czu dem fride“ (Cod. dipl. Sax.). 1401 ritten die Schiedsleute noch nach Fritzlar. In der Rechnung der Stadt Hildesheim heißt es da: „de hovetman verdan do he reden was van unses herrn weghen an de lant­richtere to Fritzlar“. In der Mitte des 15. Jahrhunderts ver­lieren sich die Richtertagungen in Fritzlar.

      All diese urkundlich belegten Vorkommnisse zeigen uns die be­deutende Stellung von Fritzlar im Mittelalter. Im Jubi­läumsband der Philipps-Universität in Marburg zur Vier­hundertjahrfeier des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Band 56, 1927, von Seite 347 bis 436 be­schreibt Dr. Karl Heldmann, Professor an der Uni­ver­sität Halle-Wittenberg, „Das akademische Fritzlar im Mittelal­ter“ in einem Bei­trag zur Geschichte des geistigen Lebens in Hessen, worin er die Stiftsschule zu Fritzlar als ein Vorläu­fer der Philipps-Universität von Mar­burg sieht, als Abschlußkapitel folgendes: „Unbezweifelbar bleibt dennoch, daß das ungünstige, je­denfalls aus einem konfes­sionellen Vor­urteil geborene Ur­teil über die Fritzlarer Stiftsschule im Mittelalter in keiner Weise zu recht besteht und allein schon durch die Listen der Scholaster, Graduierten und Studierenden, die wir nun folgen lassen, bündig wiederlegt wird. In Wahrheit ist das Fritzlar jener Jahrhunderte vielmehr der eigentliche Mittel­punkt des geistigen Le­bens in Alt-Hessen gewesen, ein nicht bloß einfach kirchliches, son­dern auch ein `akade­misches ­Fritzlar´, das seine Rolle erst ausgespielt hat, als die neuen Geistesströmungen, Humanismus und Reformation, an seine Mauern heranbrandeten und im oberen Fürstentum Hessen die erste dem neuen Geist gewidmete Hochschule, Landgraf Philipps Universität zu Marburg, erstand. Ihr sei zu ihrem 400. Jubelfest diese Arbeit aus dankbarem Herzen darge­bracht!“ 

      (Es folgt dann der Nachweis bis zum Ende des 15. Jhrht. von cirka 500 Akademikern aus Fritzlar).

                                                                                                                                                                                                                                   Hans Josef Heer

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 32/07, vom 10. August 1973, S. 1 

UNSERE STADT, IN DER WIR LEBEN

Aus Fritzlar´s Geschichte - Tilly und Piccolomini

Wenn wir diese beiden Namen nennen, werden wir an die un­selige Zeit des 30jährigen Krieges erinnert, unter dem Fritz­lar auch viel zu leiden hatte. Schon im Oktober 1621 mußte Fritzlar die Schrecken des Krieges verspüren, denn da zog der Herzog Christian von Braunschweig mit seinen plündernden Truppen durch unsere Stadt.

      Doch die eigentliche Leidenszeit begann für Fritzlar 10 Jah­re später. Am 9. September 1631 erschien der Landgraf Wilhelm von Hessen mit 3600 Fußsoldaten und 1000 Reitern in aller Früh vor dem Werkeltore. Da der Torwächter schlief, konnten die Hessen unbemerkt das Tor sprengen und drangen nun in die Stadt ein. Was sich ihnen entgegenstellte, wurde niedergemacht. Es kamen bei dieser Gelegenheit 28 Perso­nen um, Nun wurde eine zweistündige Plünderung über Fritz­lar verhängt. Auch die beiden Stiftsdörfer Ungedanken und Rothhelmshausen wurden ausgeplündert. Dann ritt der Landgraf mit gezogenem Schwert durch die Stadt und machte der Plünderung ein Ende. Fritzlar mußte aber monatlich 600 Ta­ler Contribution bezahlen; alle Waffen, darunter eine Kano­ne, der große Hund genannt, die auf eine Entfernung von zwei Stunden getroffen haben soll, die Kriegsvorräte aus dem Zeughaus und die Archive fielen in die Hände der Feinde. Außerdem mußte die Stadt 2 Komp. hessischer Soldaten un­terhalten,

      Diesmal dauerte die Besatzung nicht lange, denn es rückte Tilly mit seinem Heere heran und kam am 10. Oktober 1632 in Fritzlar an. Aber schon am 12. Oktober zog er wieder wei­ter, und die Hessen besetzten die Stadt aufs neue.

      Im Jahre 1640 kam das kaiserliche Heer, geführt vom Bruder des Kaisers, Erzherzog Leopold Wilhelm und dem Fürsten Piccolomini und besetzte die Stadt am 14. August. Das Hauptquartier befand sich damals im Gasthaus Lindenhof, dem jetzigen Julius Seibel'schen Wohn­haus am Markt.

      Am 20. August rückte das schwedische Heer unter General Banner zwischen Züschen und Dorla heran, um die Kaiser­lichen aus Fritzlar zu vertreiben. Nun verschanzten sich die Kaiserlichen am Mühlen­graben oberhalb der Spitalsbrücke über Galbergerwarte, Eckerich, Hellenwarte, Kasseler- und Möllricherwarte, auch zwei Brückenköpfe an der Eder wur­den angelegt. Die Reiterei verteilte sich in den Gärten um die Stadtmauer, während die Artillerie und das Fußvolk hin­ter den Schanzen lag. Die Bayern hatten ihre Kanonen nördlich der Hellenwarte aufgestellt. In der Nähe der Kasseler­warte stand das Feldherrnzelt des Fürsten Piccolomini. Zu­nächst wurde ein schwedisches Regiment durch kaiserliche Kürassiere am Hohenberge fast vollständig aufgerieben. Dann wurden sieben schwedische Schwadronen, die einen Durch­bruch versuchten, bei Dorla zersprengt. Nun verschanzte sich General Bannert bei Wildungen. Die beiden Heere la­gen jetzt nahe beieinander, und eine große Schlacht schien unvermeidlich.

      Die Schweden versuchten, die am Mühlengraben unterhalb des Amberges gelegene Stiftsmühle zu zerstören, aber sie wurden mit Kanonen, die auf Schanzen in der Nähe des Do­mes standen, beschossen und in ihr Lager zurückgetrieben. Fürst Piccolomini erhielt trotz des Auflauerns der Schweden noch 4000 Reiter Verstärkung und fühlte sich stark genug, den Schweden acht Tage lang die Schlacht anzubieten. Als sie aber nicht angenommen wurde, zog er nach Beschießung des schwedischen Lagers über Wolfhagen und Warburg nach Höxter, Banner aber nach Münden. Nach Abzug der kaiserlichen Truppen wurde Fritzlar wieder von den Hessen besetzt. So wechselten Freund und Feind noch mehrmals ab, bis endlich im Jahre 1648 der Friede zustande kam. Fritzlar kam wieder an Mainz zurück. Von 700 Bürgern waren nach dem Kriege noch 400 übrig.

 

Stadtgeschichte:

 

Wochenspiegel Nr. 02/10, vom 09. Januar 1976, S. 1-2

Deutsche Kaiser und Könige in Fritzlar

Der Besuch gekrönter Häupter war ein Beweis für die bedeutende Stellung unserer Stadt.

      Das alte Urkundenarchiv von Fritzlar, unter dessen Bestand sich sicherlich auch mehrere Kaiserurkunden befanden, wie et­wa die bedeu­tende Schenkung Karl des Großen an die Fritzlarer Kirche 782, sind durch die zwei großen Stadt- und Kirchenzer­störungen, 1079 durch die Sachsen und besonders 1232 durch Landgraf Konrad, vernichtet wor­den. Deshalb sind wir für die frühe Geschichtszeit auf Forschungsfunde anderer Archive ange­wiesen, mit dem Erfolg, daß man 1909 erst 13 Kaiseraufenthal­te in Fritzlar nachweisen konnte, die sich aber bis heute schon auf 23 erhöht haben. Der Ausbau der königlichen Anlage in Fritzlar zur Pfalz erfolgte wahrscheinlich schon unter Karl dem Großen im Zusammenhang mit den Sachsenkriegen, denn das Vorhandensein einer Pfalz wird uns mehrmals quellenmäßig be­legt.

      Warum es im alten Deutschen Reich mal Könige und mal Kai­ser gab, hat folgende Bewandtnis: die deutschen Könige wurden von den Fürsten, seit dem 13. Jahrhundert ausschließlich von den sieben Kur­fürsten gewählt, aber nur in Rom von den Päpsten zum Römischen Kaiser gekrönt; es sind daher nicht alle Könige zu Kaisern gekrönt worden.Mit Maximilian 1. (1493 -1519) hör­te die Krönung in Rom auf, der Gewählte nannte sich nun gleich mit der deutschen Wahl Römi­scher Kaiser.

      Die Reichsinsignien, die Hoheitsabzeichen der deutschen Kö­nige und Kaiser im alten Reich, bestanden in den Hauptteilen aus Krone, Zepter, Reichsapfel (Weltkugel mit Kreuz, ursprüng­lich Sinnbild der christ­­lichen Weltherrschaft des Kaisers), sowie Schwert, Schild und hei­lige Lanze mit den dazugehörigen Kaiserornaten. Diese Isignien und Klein­odien des Heili­gen Römischen Reiches deutscher Nation befinden sich wohl noch heute in der Schatzkammer des ehemaligen „Aller­höchsten Kaiserhauses“ in Wien.

      In der Hoffnung, daß auch unsere Stadt Fritzlar mit seinem histori­schen Rathaus aus dem 11. Jahrhundert, ähnlich wie die Städte Aachen, Frankfurt oder Goslar, sich dazu entschließt, diese deutschen Kaiser und Könige in Bild und Belegen zur Dauerausstellung zu brin­gen, um damit den Einheimischen wie den Besuchern die geschicht­liche Bedeutung unserer Stadt ins Bewußtsein zu rufen.

                                                                                                                                                                                                                                                        H.J. HEER

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 03/10, vom 16. Januar 1976, S. 1

DEUTSCHE KAISER UND KÖNIGE IN FRITZLAR

König Konrad 1. König von 911 bis 918

Die Hauptträger der karolingischen Politik in Hessen des 9. und 10. Jahrhunderts waren die Konradiner, die als karolingische Grafen nicht nur die üblichen Reichsrechte wahrnahmen, sondern auch in Fritzlar einen eigenen Verwaltungsmittelpunkt errichteten, der schon am Ende des 8. Jahrhunderts die Anfänge einer konradinischen Resi­denz erken­nen läßt.

      Damit war Fritzlar der bedeutendste Ort weit und breit gewor­den, wo das hessisch-konradinische Grafengeschlecht eine Villa besaß. Im Jahre 911 wurde der hessische Konradiner, Graf Konrad der Jüngere in Forchheim bei Bamberg zum deutschen König gewählt.

 Vor der Königswahl trug er den Titel „Konrad, Herzog von Ost­franken, Hessen, Wetterau und Fritzlar, Fürst von Thüringen. So wurde die kon­radinische Villa in Fritzlar Königsvilla, königliches Kammergut, Kö­nigspfalz. Dies wird später ausdrücklich bezeugt.

      Königspfalzen hatten in der Regel Pfalzkapellen, die dem hl. Johannes dem Täufer geweiht waren. Die alte Johanneskirche, die ehe­mals am Domplatz stand, ist wahrscheinlich als die alte Pfalzka­pelle an­zu­sehen, die uns zugleich den Platz der alten Kaiserpfalz in Fritzlar an­deu­tet. Sie stand in der Nähe des heutigen Domes, westlich gegenüber dem Rathaus an der Nordostseite des Domplatzes.

           Die Herrschaft Konrads I. sollte nur von kurzer Dauer sein. Nach­dem er den mächtigen Sachsen-Herzog Heinrich zur Anerkennung sei­ner Königswürdegezwungen hatte, kämpfte er gegen die raubsüchti­gen Feinde Deutschlands, die Ungarn, empfing aber in diesem Kriege eine schwere Wunde, an welcher er krank danieder lag. Als er nun die Nähe des Todes fühlte, berief er seinen Bruder Eberhard, der weder den Ruf der Tapferkeit, noch die Liebe und Zuneigung seines Volkes besaß, und redete ihm zu, der Regierung zu entsagen, die Reichsklein­odien dem Herzog Heinrich von Sachsen zu überbringen und dessen Wahl zum König auf alle Weise zu fördern. Zu dem Ende sagte er zu Eberhard u. a.: „Täusche dich nicht, mein Bruder, über Dinge, von denen ich dir bisher, um dich nicht zu betrüben, noch nichts sagen mochte. Das Volk wünscht dich nicht zum König zu haben. Zwar kann unser Haus Heere ins Feld stellen; wir haben Städte und Waffen und sind im Besitze der Zeichen des Reiches, sowie alles dessen, was die königliche Würde verlangt. Nur das fehlt uns: Glück und persönliches Ansehen.“

      So starb König Konrad I. nach nur achtjähriger Herrschaft am 23. Dezember 918. Der Tod dieses konradinischen Königs ist mit einer Handlung verknüpft, die seit jeher in der deutschen Geschichte als einzi-gartig gegolten hat, nämlich die Übergabe der Krone an seinen mächtigsten Gegner, Herzog Heinrich von Sachsen.

                                                                                                                                     H.J.HEER

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 04/10, vom 23. Januar 1976, S. 1

DEUTSCHE KAISER UND KöNIGE IN FRITZLAR

HEINRICH 1. König von 919 bis 936

Das historisch bedeutendste Ereignis in der 1250jährigen Ge­schichte Fritzlars ist zweifellos die Erhebung Heinrichs 1. zum Kö­nig im Mai 919 durch die dort versammelten Franken und Sach­sen. „Von da an“, be­merkte Otto von Freising, der größte Geschichts­denker des deutschen Mittelalters, schon vor mehr als 800 Jahren in seiner Chronik „von da an rechnen manche dem Reich der Fran­ken das der Deutschen“.

      Hier in Fritzlar am Domplatz vor der Kaiserpfalz haben wir uns die weltgeschichtlichen Stätte zu denken, an der die Wahl des Sach­senherzogs Heinrich zum deutschen König erfolgte. Der sterbende König Konrad hatte nämlich hochsinnig nicht an sein Haus, sondern an das Reich gedacht und darum seinen Bruder Eberhard und die Großen, die das Lager umstanden, aufgefordert, um Spaltungen zu vermeiden, Herzog Heinrich von Sachsen, „den würdigsten und mächtigsten Für­sten", zum König zu wählen. Nach seinem Tode erfüllte Eberhard alsbald seines Bruders letzten Willen. Mit der Kro­ne und den anderen Zeichen der königlichen Würde begab er sich zu Herzog Heinrich. Er traf ihn der Sage nach in Quedlinburg am Vogelherde, erzählte dem Staunenden seines Bruders Auftrag, fiel ihm zu Füßen und bot ihm Krone und Zepter an. Als Heinrich ein­willigte, berief Eberhard mit Zu­stimmung der fränkischen und säch­sischen Großen eine Reichsver­samm­lung nach Fritzlar im Mai 919.

Dort lenkte er die Wahl auf Herzog Heinrich, welcher auch wirk­lich von den Sachsen und Franken zum König erwählt, und nach­dem er die Würde angenommen hatte, als solcher ausgerufen wurde. Doch lehnte der neue König die ihm von dem Mainzer Erz­bischof Heringer angebotene Krönung und Salbung mit der Äußerung ab: „Es genügt mir daran, höher zu stehen als meine Vor­fahren und durch Gottes Gnade und euer Vertrauen König zu heißen; Salbung und Diadem mögen Würdigere em­pfangen.“

      Herzog Eberhard, dem der Verzicht auf die Krone gewiß nicht leichtgefallen ist, und König Heinrich haben sich ebenso respek­tiert, wie das um­ge­kehrt vorher König Konrad mit Herzog Heinrich getan hatte. Auch der neue deutsche König Heinrich I. hat zweifellos das ihm gebrachte Opfer in aller Form anerkannt und den fränkisch-hessischen Raum soweit wie möglich geschont und der Herrschaft Eberhards überlassen.

      Diese einmalige Tat hatte überjahrhundertelang. deutsche Dichter u. Denker bewegt. So schrieb 1840 der Romantiker Joh. Nepomuk Vogl das bekannte Gedicht: Herr Heinrich sitzt am Vogelherd recht froh und wohlgemut; aus tausend Perlen blinkt und blitzt der Morgenröte Glut“. 1910 erschien das Schauspiel von Ernst von Wildenbruch „Der Deut­sche König“, und 1925 die „Sonnenwende“ von Heinrich Winter, die alle das einmalige Thema beinhalten.

                                                                                                            H.J.HEER

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 05/10, vom 30. Januar 1976, S. 1

DEUTSCHE KAISER UND KÖNIGE IN FRITZLAR

Kaiser Otto 1. - genannt der Große - von 936 bis 973

Nachdem König Heinrich I. am 2. Juli 936 in der Pfalz zu Memle­ben die Augen schloß, übernahm sein Sohn Kaiser Otto I., genannt der Große, die Regierungsgewalt.

      Er war der größte Herrscher des sächsischem Hauses, der sich mit der Macht des Königtums gegen die der Stammesherzogtümer durchge­setzt hatte. Durch die Unterwerfung Oberitaliens 951 und durch seine Kai­serkrönung in Rom 962 schuf er die weltgeschichtliche Verbindung Deutschlands mit Italien. Er war der Gründer des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

      In Fritzlar weilte Kaiser Otto 1. am 18. Januar 943. Bei ihm sind Erz­bi­schof Friedrich von Mainz, Herzog Hermann und sein Bruder, der hl. Bruno, Erzbischof von Köln. Im Mai 953 hält er in der Kaiserpfalz zu Fritzlar einen Reichs- und Gerichtstag zum Abschlug eines in Dort­mund gegen fürstliche Empörer eingeleiteten Verfahrens. Anwesend wa­ren Herzog Heinrich, Erzbischof Friedrich von Mainz, Graf Dadi und Wilhelm. Konrad von Lothringen wird abgesetzt, die Grafen Dadi und Wilhelm gebannt, Herzog Heinrich zur Verwahrung übergeben. Auch Liudolf, der letzte hessische Graf, verliert auf diesem Reichs­tag Herzog­tum und Lehen.

   Vom 12. bis 16. Januar 958 finden wir Kaiser Otto I. abermals in Fritzlar. Auf die Fürsprache seines Bruders, des hl. Bruno von Köln, machte er eine Schenkung an das Kloster Meschede und an die Kirche zu Chur. Letztmals halten sich Kaiser Otto I. und sein Sohn Wilhelm, seit 954 Erzbischof von Mainz, für Jahre 959 in der Kaiserpfalz zu Fritzlar auf.

 Vom 12. bis 16. Januar 958 finden wir Kaiser Otto I. abermals in Fritzlar. Auf die Fürsprache seines Bruders, des hl. Bruno von Köln, machte er eine Schenkung an das Kloster Meschede und an die Kirche zu Chur. Letztmals halten sich Kaiser Otto I. und sein Sohn Wilhelm, seit 954 Erzbischof von Mainz, für Jahre 959 in der Kaiserpfalz zu Fritzlar auf.

     Dieser Kaiserbesuch hatte wohl für Hessen und Fritzlar eine Bedeu­tung von großer Tragweite. Er dürfte für Fritzlar ein Mark­stein in seiner Geschichte gewesen sein. Erzbischof Wilhelm war der Lieblingssohn des Kaiser Otto I., der ihm wiederholt Beweise seiner kaiserlichen Huld gab. Er hatte ihm das Reichs-Erzkanzleramt übertragen, das nunmehr mit dem erzbischöflichen Stuhle in Mainz verbunden blieb. Ergab ihm die weltliche Herrschaft über das Erfurter Land und auch, nachdem der letzte hessische Graf 953 abgesetzt war, die Grafschaft Hessen, die nun Mainz zunächst durch Wernerische und dann durch Gisonische Grafen verwalten ließ. Der Besuch Kaiser Otto I. und des Mainzer Erzbischofs Wilhelm in Fritzlar vom Jahre 959 sollte also wohl diesen wichtigen ge­schichtlichen Akt besiegeln.

      Nun gehörte Fritzlar nicht bloß kirchlich, sondern auch staatlich zu Mainz und blieb mit den Dörfern Ungedanken und Rothhelmshausen, gleichwie die Ämter Naumburg, Neustadt und Amöneburg, bis zum Jalrre 1803 mainzisch, während die übrigen hes­sischen Gebiete mit der Zeit an das thüringisch-hessische Fürstengeschlecht fielen.

                                                                                                            H.J.HEER

Stadtgeschichte:

Wochenspiegel Nr. 06/10, vom 06. Februar 1976, S. 1-2

DEUTSCHE KAISER UND KÖNIGE IN FRITZLAR

Kaiser Otto II. - 973 bis 983

Auch Kaiser Otto 1. der Große war - wie sein Vater Kaiser Heinrich I. - in der Pfalz zu Memleben am 7. Mai 973 gestorben. Sein Grabmal befin­det sich in dem von ihm gestifteten Dom zu Magdeburg.

      Sein Sohn, Kaiser Otto II. übernahm 973 die Regentschaft. Er war von gelehrter Bildung, ging über die politischen Bestre­bungen des Va­ters hinaus, indem er die auf eine vollkommene Beherrschung des Mit­tel­meers zielende Politik der römischen Imperatoren und ihre Nachfol­ger wieder aufgriff. Italien sollte als zentrale Macht Südeuropas gleich­be­rech­tigt neben Deutsch­land treten. 961 zum König gewählt, 967 als Mitkaiser gekrönt, 972 mit der griechischen Prinzessin Theophano vermählt, hat er meistens in Italien gelebt.  

Kaiser Otto II. ist wahrscheinlich urkundlich nur einmal in Fritzlar gewesen, und zwar wenige Tage nach der feierlichen Be­stattung seines Va­ters in Magdeburg, wo er von dort am 6. Juni 973 mit seinem Hof­staat aufbrach. In seiner Begleitung befand sich seine Mutter, die Kai­se­rin Adelheid, eine geborene Prinzes­sin von Burgund, und für unser Fritzlar von Bedeutung, ein ara­bischer Gesandter, von dem uns eine Schilderung über unsere Stadt vor 1000 Jahren überliefert wurde. Der Aufenthalt des Kaisers war nur kurz, die Reiseroute ging über die Pfalzen Werla, Grone und Fritzlar zu dem nach Worrns einberufenen Reichs­tag. Die in der Kanzlei des Kaisers zur Beurkundung in Fritzlar vorgenommene Schenkung wurde daher erst nach der Ankunft in Worms am 16. Juni vorgenommen.

      Der Gesandte, Araber Ibrahim ibn Achmed at-Tartuschi, war im Auftrage des Kalifen Hakam II. im mohammedanischen Spa­nien nach Deutschland an den Hof Ottos I. und Ottos II. 973 gekommen. Welcher Art seine Mission war, wissen wir nicht ge­nau. Es wird nur berichtet, daß er eine Menge kostbarer Ge­schenke für Kaiser Otto überbrachte und dieser ihm seinerseits Geschenke an seinen Herrn, den Kalifen, mit­gab.

      Tartuschi bereiste in Deutschland eine Reihe von Städten, von denen in den vorhandenen Textfragmenten noch folgen­de Namen erhalten sind: Schleschwiq (Schleswig), Itraht (Ut­recht), Madifurg (Magdeburg), Schu­schit (Soest), Magandscha (Mainz) und „Ifridislar", eine Arabi­sie­rung des Namens Fritz­lar.

      Hören wir nun, was er von seinem Besuch in Fritzlar zu be­richten weiß:

     „Ifridislar“, so beginnt Tartuschi, „ist eine feste Stadt in „Ifran­dscha“ (Frankreich), deren Häuser aus Steinen erbaut sind. Sie wurde vor mehr als zwei  Jahrhunder-      ten von einem gro­ßen christlichen Mär­tyrer (Bonifatius 724) gegrün­det. In der S