Branntwein, wie er seit dem 13. Jhn. in den Quellen überliefert wird, hat man urspünglich tatsächlich nur aus Wein de-stilliert (heute als "Weinbrand" bezeichnet), was wohl zunächt vor allem in den Klöstern praktiziert wurde. Im Laufe der Zeit hat man auch diverse Obst- und Getreidesortemn zur Grundlage des Getränkes genutzt, das nach heutiger Defi-nition ungefähr 32-85 % Alkohol enthalten darf. Die problematische Wirkung dieser sowohl medizinisch verwendbaren wie auch bewusstseinsverändernden Substanz war bekannt und wurde gelobt oder beklagt. Im 18. Jhn. führte die Entwicklung des Kartoffelschnapses allerding zu einer nunmehr kaum noch kontrollierbaren Massenproduktion, die in ganzen Stadt- und Landgemeinden u. U. zu sozialen Verwerfungen führte. Es gibt zahlreiche überlieferte Bitten, Klagen und Verordnungen vor allem von Personen, die sich normalerweise in Städten und Dörfern für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ornung sorgen, wie Bürgermeister und anderer Amtleute, Pfarrer und Lehrer. Um die offenbar katastrohalen Folgen (sowohl bei Sitte wie auch bei der Produktion) des Alkoholkonsums irgendwie in den Griff zu bekommen, plädieren sie z. B. dafür, daß es in jedem Dorf mindestens zwei Gasthäuser geben müsse: eines für die Einheimischen mit Bier, Wein und alkohlfreinen Getränken, und ein zweites, wo dann tatsächlich auch Brannt-wein ausgeschenkt werden konnte. Letztere sollten an den Duchgangsstraßen liegen und von den Einheimischen gemie-den werden, da man dort -neben dem Schnaps- auch auf durchreisende fremde Gauner, betrügerische Glücksspieler, Dirnen und sonstige Kriminelle treffe. Schaut man sich die Dörfer um die heutige Kernstadt herum an, so wird deutlich, daß die "Zwei-Kneipen-Lösung" häufig wirklich zu finden ist. Es sei z. B. dabei an Geismar, Lohne, Werkel, Ungedanken und Rothhelmshausen verwiesen, wo sich (bis vor kurzem) häufig nie mehr als zwei Kneipen hielten. In Fritzlar als Marktstadt oder gar "Metropole" war das natürlich viel schwieriger zu bewerkstelligen. Dennoch können wir heute noch erkennen, daß der Branntwein nicht ungeordnet und beliebig auf die Bevölkerung "losgelassen" wurde. Das Stadtarchiv gibt uns deutliche Hinweise darauf, wie man versuchte den Branntweinkonsum zu regeln, denn die Erlaubnis Hochprozentiges zu vertreiben war im 19. bis frühen 20. Jahrhundert mit einer (ausdrücklich genannten) Erlaubnis verbunden. Man führte Branntwein (volkstümlich auch "Fusel" genannt) oder nicht! Daß man in "besseren Kreisen" (Geschäftswelt, gehobenes Bürgertum, Kirche, Adel, Offiziere) über Cognac, Liköre und weitere Genußmittel verfügte, steht auf einem anderen Blatt. Die "Steuerung" des Branntwein-konsums betraf vor allem Bauern, Arbeiter und andere "kleine Leute").
Hierzu siehe die Denkschrift des Metzer Pfarrers W. Appelius aus dem Jahre 1833: "Acta, die Spinnstuben auf dem Lande betreffend 1819-1845" im Hessischen Stastaarchiv Marburg 17g GEF 71 Nr. 3.
übertragen von Irmhild Georg(+) am 17.10.1996
3.2.3. Hotels und Gaststätten in Fritzlar 1961
3.2.4. Gastgeberverzeichnis in Fritzlar 1988
3.3.1. Hotels, Pensionen und andere Beherbergungsbetriebe (bis 1998ff.)
Man kann davon ausgehen, daß es bis in das 19. Jahrhundert hinein in Fritzlar als Handelsstadt mit ihren Märkten und Messen Unterbringungsmöglichleiten der unterschiedlichsten Art gegeben hat. Das konnte vom Strohlager in einem Stall über verwanzte Verschläge bis hin zu gepflegten Stuben mit bequemen Federbetten reichen. Ab wann zum ersten Male bei uns der Begriff "Hotel" erschien, ist kaum mehr zu erschließen, er scheint aber seit kurhessischer und dann vor allem in preußischer Zeit sehr populär geworden zu sein und sollte wahrscheinlich einen gewissen Anspruch oder Komfort (wie z. B, eine eigene Waschgelegenheit oder einen Stubenofen) beschreiben. Dieser äußerte sich auch darin, daß häufig die Verköstigung im eigenen Hause angeboten wurde, die dann -gleichfalls als im gehobenen Sinne gedacht- als "Restaurants" firmieren sollten. Dennoch behielten einige Wirte die alten Bezeichnungen wie "Gaststätte" u. ä. bei. Welche Kundschaft man erwartete, ist nicht ganz klar, ein klassischer "Fremdenverkehr" im Sinne von "Tourismus" wird es wohl zunächst nicht gewesen sein, es darf aber vermutet werden, daß man mit der dauerhaften Stationierung des preußisch-deutschen Militärs (es sind Soldaten aus Ostpreußen wie aus dem Elsass überliefert) mit vielen Besuchen von Angehörigen o. ä. rechnen zu können hoffte. Auch die Ursulinenschule, die Präparandenanstalt und vergleichbare Ein-richtungen sowie die Geschäftswelt hatten sicher ihr Publikum.
Als reguläre "Gastwirtschaften" sollen hier Betriebe ver-standen werden, bei denen wahrscheinlich sowohl Ess- wie auch Trinkbares auf einfachem Niveau angeboten wurde. Eventuelle Überschneidungen mit Restaurant einerseits und Schenken andererseits sind aber im nachhinein (wenn die Zeitzeugen nicht mehr leben) häufig kaum noch zu überprüfen. Gemeinsam war ihnen aber, daß sie offenbar keine (heute erkennbaren) Beherbergungen anboten. Bei den älteren Einrichtungen (19. Jhn.) fällt auf, daß die Ausgabe von Branntwein besonders erwähnt wird, die-ser bedarf offenbar einer besonderen Genehmigung und findet sich überwiegend in "Schenken" (s. u.).
Die meisten (aber nicht alle) Cafés in Fritzlar hatten eine Bäckerei oder Konditorei als Hintergrund. Da man zumeist im Laden selber auch sitzen und etwas zu sich nehmen konnte, müssen zeitweise mindestens 10 Cafés in der Alt-stadt existiert haben.
Auch wenn einige Lokalitäten unter "Gastwirthschaften" firmierten, so hat man doch den Eindruck, daß es hier vor allem um den Konsum von Flüssigem ging, wobei natürlich Alkoholika bis hin zu Branntwein bevorzugt wurden. Was die Räumlichkeiten betrifft, so scheinen einige Plätze ihren Ursprung in evtl. erweiterten Wohnstuben gehabt zu haben. In einigen Fällen (z. B. beim "Stadtpark" oder "Zur Spitze") gab es im Laufe der Jahrzehnte eine starke Entwicklung.
Gesellige Veranstaltungen an der frischen Luft gab wahr-scheinlich schon immer, in bürgerlichen Gärten kamen sie möglicherweise, nach herrschaftlichem Vorbild, seit dem 18. Jahrhundert in Mode und blüten mit der sog. Bieder-meierzeit offenkundig auch in Fritzlar auf. Als "Biergärten" sind sie auch heute noch sehr populär. Bisweilen ent-wickelten sich aber solche Plätze bis hin zu etablierten Ein-richtungen wie regelrechten Hotels (z. B. "Lindenhof", "Stadtpark" und "Reuter").
Falckenheiner, Carl Bernhard Nicolaus: Innere Geschicthe von Fritzlar. In: Geschichte hessischer Städte und Stifter. Cassel 1842, S. 87 ff.
Kramer, Ivonne: Vor dem Vergessen. Eine Familienchronik.Kunsthochschule Kassel, Februar 2024.
Potthoff, Ossip D./Kossenhaschen, Georg: Kulturgeschichte der Deutschen Gaststätte. Hildesheim Zürich New York 1996
Rehm, Hermann Siegfried: Auf hessischen Landstraßen - Künstlerfahrten. Fulda 1921.
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